Der digitale Blumenstrauß
Die wichtigen Grüße zum Hochzeitstag vergessen? Japan hat die Rettung parat: Mobile Duftkommunikation per Handy.
- Martin Kölling
Hiroshi Yoshimoto sieht etwas nervös aus. Der japanische Internetprovider NTT Communications stellt gerade den weltweit ersten Aroma-Service für Handys vor, der reale Blumengrüße überflüssig machen könnte. Und die ätherischen Öle zur Dufterzeugung stammen von Yoshimotos Arbeitgeber, dem an der Frankfurter Börse notierten Dufthersteller Symrise AG. "Wir sind begeistert von den neuen Möglichkeiten, die die neue Technologie für den Duftmarkt bietet", jubelt Yoshimoto.
Auslöser von Yoshimotos Enthusiasmus ist der zehntägige Test eines vermeintlich revolutionären Dienstes. Mit der "mobilen Duftkommunikation" von NTT Communications lassen sich Duftrezepte auf das Handy laden oder als Mailanhang allein oder wahlweise inklusive dem Foto einer Blume, einem Video und einem Lied verschicken. Die Idee: Sobald das Rezept an einen portablen Aromaverdampfer übertragen wird, beginnt der gewünschte Raum wie vom Absender geplant zu riechen, nach Rosen zum Beispiel. Ganze drei Minuten soll die Wahl von Duft und anderer Optionen dauern. Wenn der Feldversuch positiv ausfällt, könnte Anfang 2009 die Vermarktung beginnen.
Duftexperte Yoshimoto wittert einen riesigen Markt. Denn damit erhält die Geruchskommunikation Einzug in das neue private Digitalleben und die Beduftung ganzer Räume. In der alten analogen Welt ist sie nur auf den Kauf und die körperliche Anwendung von vorgefertigten Parfüm beschränkt. Und mehr noch: Jeder kann jetzt seine ganz persönliche Duftnote setzen und Freunden per E-Mail schicken wie Fotos oder Videos. Soziale Gruppen und Subkulturen werden sich vielleicht nicht nur über das Aussehen, sondern auch über die Nase definieren, sagt Yoshimoto voraus.
Duftkommunikation ist eine mächtige Idee. Denn anders als optische und akustische Sinneswahrnehmungen schickt die Nase Düfte und Gerüche ungefiltert an das lymbische System, das Riechhirn. Damit lösen sie unbewusst Erinnerungen und Gefühle aus. Unternehmen nutzen daher gezieltes Duftmarketing, um Konsumenten in Kauflaune zu versetzen. Anja Stöhr, Professorin für strategisches Marketing an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden, hat ermittelt, dass sich der Umsatz in dezent bedufteten Verkaufsräumen um rund sechs Prozent erhöht.
NTT Communications hat ähnliche Erfahrungen gemacht, sagt Shunichi Hamada von der Firma. Sein Unternehmen beduftet in Japan Hotels und Krankenhäuser. In Europa sind dies schon große Märkte, aber in Japan beginnt der Boom des Duftmarketings erst. Doch Hamada, wahrscheinlich Japans einziger Telekommunikationsexperte mit einer Ausbildung als Aromatherapeut, will die Macht der Gerüche mit Hilfe des Internets und optischen Ausgabegeräten wie Fernsehern potenzieren.
Beim ersten käuflich zu erwerbenden Produkt, einem kugeligen Zerstäuber, können die Kunden über das Internet den Duft je nach Tageszeit ändern. In einem Test an der Kirin Bierhalle in der unterirdischen Einkaufspassage des Bahnhofs Tokio wurden zu den Düften auch noch Bilder auf einem großen Flachfernseher gezeigt.
Die Herausforderung bleibt allerdings, das recht teure Beduftungssysteme zu verkaufen. Um einen Massenmarkt zu schaffen, will Hamada den Aromatisator für weniger als 20.000 Yen (rund 130 Euro) verkaufen. Bisher kostet das Gerät mehr als doppelt so viel. Bei acht Stunden Betrieb täglich addieren sich einmal im Monat zehn Euro für ein Magazin aus 16 ätherischen Ölen. Wirtschaftlich rechnet sich der Versand digitaler Blumensträuße daher nur für gute Ehemänner oder Pflanzenfreunde. (wst)