Big Brother is plansching you
Prominente kennen das Problem: Sie werden gesehen, auch wenn sie das vielleicht gerade mal nicht möchten. Sie spielen mit den Medien, die Medien spielen mit ihnen, und wie bei jedem Spiel kann man miteinander oder gegeneinander spielen.
- Peter Glaser
Prominente kennen das Problem: Sie werden gesehen, auch wenn sie das vielleicht gerade mal nicht möchten. Sie spielen mit den Medien, die Medien spielen mit ihnen, und wie bei jedem Spiel kann man miteinander oder gegeneinander spielen. Daneben schreitet die Zwangsdemokratisierung verdeckter Ermittlungsarbeit, die vormals Geheimdiensten und Detektiven vorbehalten war, unaufhaltsam voran. Leserreporter erlegen nun Bildwild aller Art. Vor zwei Jahren startete das amerikanische Klatsch-Blog Gawker den Gawker Stalker. Aktuelle Prominentensichtungen in New York City werden auf einer Karte verzeichnet und kommentiert.
Das Ganze gibt es, auf ebenso elegante wie unterhaltsame Weise, auch hierzulande. Seit 1999 werden von den Höflichen Paparazzi Protokolle kleiner Zufallsbegegnungen mit prominenten Menschen gesammelt ("Je dezenter, desto besser"). Mein nach wie vor ungeschlagener Favorit ist die Begegnung eines höflichen Paparazzo mit dem Philosophen Peter Sloterdijk, der bei einer Veranstaltung auf dem Rückweg von der Herrentoilette von einer polnischen Jouralistin mit Peter Handke verwechselt und um ein Interview gebeten wird, das er auch gerne gibt, ohne zu merken, dass er für Handke gehalten wird ("Irgendwo in Polen muß dieses Handke-Interview erschienen sein").
Auch in England, dem Mutterland mülldurchwühlender Boulevardmedien, wird die Prominentenüberwachung inzwischen mit der Terrorprävention vergleichbarem Einsatz betrieben. Darren Adams British Celebrity Watch gehört noch zu den harmloseren Späheinrichtungen. Seit die Firma Google uns immer neue Transparenzoffensiven verordnet, wird auch das zweifelhafte Privileg, unter besonderer Beobachtung zu stehen, für jedermann zugänglich. Autos mit Kamera-Periskop fahren gerade durch deutsche Städte, um für Google Streetview Straßenverläufe in Rundumsicht zu fotografieren, Haus für Haus, Passant für Passant. Auch wenn Gesichter und Autonummern automatisch unkenntlich gemacht werden, sind viele Hauseigentümer alles andere als erfreut über die unerwünschten Möglichkeiten zur Fernerkundung ihrer Immobilie.
In England ist daraus gerade ein aktuelles Sommervergnügen namens Dipping hervorgegangen. Mitte Juni berichtete die britische Tageszeitung Daily Mail erstmals von etwas wie einer internetbeschleunigten Turboversion des Hausbesetzens. Jugendliche suchen sich dabei in Google Earth oder Google Maps Grundstücke mit einem hübschen Swimmingpool, verbreiten Koordinaten und Adresse an ihre Freunde und feiern dort, sobald der Pool als sturmfrei gilt, eine spontane Party. Die Polizei geht davon aus, dass die Planschattacken, die in Südengland ihren Ausgang genommen haben, mit längeren Schönwetterlagen auf weitere Regionen übergreifen werden.
Alles schon mal dagewesen: In einem Kommentar zu dem Daily Mail-Artikel weist ein amerikanischer Leser auf bestehende Traditionen hin. Schon in den Siebzigerjahren fuhren im kalifornischen Santa Monica Skateboarder auf der Suche nach leeren Swimmingpools, in denen sie skaten konnten, durch die Straßen. Sie hatten auch Pumpen dabei, um einen Pool, wenn nötig, ausleeren zu können. (wst)