Der Anfang vom Ende der Spiegelreflex-Ära

Wechselobjektive und volle Bildvorschau ohne Spiegel - mit der EinfĂĽhrung des "Micro FourThirds"-Standards fĂĽr Bildsensoren wollen Panasonic und Olympus die Entwicklung der Digitalkamera auf die Spitze treiben.

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Von
  • Martin Kölling

Am vergangenen Dienstag könnte die Fotografie einen neuen Meilenstein passiert haben. Panasonic und Olympus kündigten den "Micro FourThirds"-Systemstandard für Kameras mit Wechselobjektiven an. Durch die mit dem Systemsprung geplante Abschaffung des Spiegelsystems konventioneller Spiegelreflexkameras könnten Apparate mit den Vorzügen einer Spiegelreflex (volle Ansicht des realen Bildes und austauschbare Objektive) weitaus kleiner als bisher gestaltet werden. Denn der Abstand zwischen Objektivlinse und dem Sensor halbiert sich auf nur noch zwei Zentimeter. Dadurch kann auch der Objektivanschluss und das Objektiv selbst verkleinert werden.

Vielleicht brauchte es den Mut und die Marktmacht eines Elektronikriesen wie Panasonic, den Fotografen und den digitalen Hochleistungskameras ihren analogen Spiegel wegzunehmen. Meines Erachtens ist die Entwicklung nur folgerichtig, denn das Spiegelreflexsystem ist rasant dabei, seine Existenzberechtigung zu verlieren und vom nützlichen Werkzeug zum Bremsklotz zu werden. Zur Erinnnerung: Sucherkameras mit Wechselobjektiven gab es schon vor der Spiegelreflexkamera. Doch die Spiegelreflexkameras drängten sie in eine kleine Nische, obwohl der neue Kameratyp wegen des mechanischen Spiegelsystems und des Prismas größer, schwerer, lauter, teurer und störungsanfälliger war. Denn Spiegelreflexkameras boten einen großen Vorzug: Den Blick auf das reale Bild. Dadurch wurden plötzlich Zoomobjektive möglich.

Doch mit dem Ersatz des Films durch einen Bildsensor ist der Spiegel systemisch schon lange überflüssig geworden. Das Bild kann wie bei diversen digitalen Kompaktkameras auch direkt am Bildschirm am Rücken des Apparats und/oder dem elektronischen Sucher abgelesen werden. Dass die Kamerahersteller diesen technologischen Sprung bei ihren Flaggschiffen nicht wagten, lag wahrscheinlich an der Qualität der neuen Technik. Sensoren und Bildschirme waren einfach nicht gut genug, um optische Sucher zu schlagen. Das Bild war wegen der geringen Auflösung zu schlecht. Es kam verzögert an und ruckelte. Und Kontrast und Lichtempfindlichkeit der Sensor-Bildschirm-Kombo waren so gering, dass die Bildschirm- oder Sucherdarstellung in extrem hellen Situation ausgewaschen war und im Dunkeln störend rauschte.

Doch inzwischen hat die technische Entwicklung Sensoren und elektronische Sucher so hochauflösend, schnell und vor allem lichtempfindlich gemacht, dass sie zwar nicht absolut perfekt sind, aber doch ausreichende Qualität bieten und den optischen Sucher meiner Meinung nach in einigen Extremsituationen bereits ausstechen könnten. Nehmen wir Fotos in dunkler Umgebung: Die neuen Sensoren sehen noch farbig, wenn im optischen Sucher das Bild schon schwer zu erkennen ist. Die noch bestehenden Nachteile gegenüber analogen Verfahren machen sie durch eine Reihe anderer Vorzüge wett: Die Ein- und Ausblendung von Hilfslinien, diversen Bildinformationen bis hin zum Life-Histogramm, die Funktion, im Sucher Bildausschnitte zum Scharfeinstellen zu vergrößern, und vor allem die Möglichkeit, Videos zu schießen. Endlich verschmelzen auch die Topmodelle das Fotografieren und Filmen zur Fodeografie.

Sicherlich wird die Spiegelreflexkamera nicht über Nacht verschwinden. Mit mehr als zehn Millionen Objektiven gleicht das System einem riesigen Tanker, der auch ohne Motor noch weitertreiben wird. Aber ich freue mich auf die neuen Kameras, denn sie verbinden endlich die Vorzüge von Sucher-, Spiegelreflex- und Digitalkameras. Und wir können sicher sein, dass die anderen Hersteller folgen werden. Panasonic und Olympus waren mit ihrer "Lifeview"-Technik, dem Livebild auf dem LCD, auch nicht lange allein. Wie sehr viele Fotografen auf die Abschaffung des Spiegels warten, zeigt die anfängliche Begeisterung für Leicas digitale Sucherkamera M8. Und die hat noch einen optischen und keinen elektronischen Sucher. Ich bin schon sehr auf die ersten Modelle gespannt. Vielleicht kommen sie ja schon zur IFA in Berlin. (wst)