Angriff mit weißer Ware

Japans größter Elektronikhersteller Panasonic greift die deutschen Top-Marken bei Haushaltsgeräten an. Ein Blick auf das Feuerwerk neuer Waschmaschinenideen im japanischen Markt zeigt, dass die Premiumhersteller Grund zur Sorge haben müssen.

vorlesen Druckansicht 17 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Martin Kölling

Eigentlich wäre heute der Tag, etwas Intelligentes zu den US-Wahlen zu verfassen. Aber mir fällt beim besten Willen nicht ein, wie ostasiatische Technik den Wahlsieg Barack Obamas oder die Niederlage John McCains befördert haben könnte. Daher wende ich mich den deutschen Wählern zu, deren Wahlmöglichkeiten ab April 2009 dank japanischer Technik extrem zunehmen werden – bei Waschmaschinen zumindest.

Japans größter Elektronikhersteller Panasonic, der gerade den Kauf des Lithium-Ionen- und Solarzellenherstellers Sanyo angekündigt hat, wird im kommenden Jahr seine weiße Ware in Deutschland gegen die deutschen Top-Marken wie Miele oder Bosch ins Feld schicken. Ein Blick auf das rasante Innovationstempo im japanischen Waschmaschinenmarkt zeigt, dass selbst der "Mercedes unter den Haushaltsgeräten" (so sehen sich einige Miele-Manager) keinen Grund zur Überheblichkeit hat.

Es ist die Geschichte einer unglaublichen technischen Aufholjagd, ein Lehrstück darüber, wie schnell über Jahrzehnte angesammelter technischer Vorsprung zusammenschmelzen kann. Als ich vor acht Jahren nach Japan kam, produzierte kein japanischer Hersteller auch nur ein Produkt, das in Deutschland den Hauch einer Chance gehabt hätte. Frontlader-Waschmaschinen von Miele waren ein rares Luxusgut für reiche Connaisseure. Die Normalbürger wuschen ihre Kleidung noch mit einer Technik, die Europa in den 50er-Jahren überwunden hatte: Oben offene Bottiche quirlten die Wäsche in kaltem Wasser. Die reinigende Arbeit musste vor allem das Waschmittel verrichten. Doch im Jahr 2003 begann Panasonic eine Revolution, die die japanischen Hersteller auf einen Schlag zur Avantgarde der Waschmaschinenwelt beförderte.

Japans führender Haushalts- und Konsumelektronikhersteller, der damals noch auf den Namen Matsushita hörte, führte die weltweit erste Frontlader-Waschmaschine mit leicht schräg eingesetzter Trommel ein. Panasonics Bruch mit der Frontlader-Tradition der westlichen Vorbilder rollte den Markt auf. Denn die Schräg eingesetzte Trommel bietet ergonomisch riesige Vorteile: Die Menschen müssen nicht mehr zum Be- und Entladen vor der Waschmaschine auf die Knie fallen, eine leichte Verbeugung genügt. Außerdem kann man auch einfacher hineinsehen, was dem Wunsch der japanischen Hausfrau nach Kontrolle des Waschvorgangs entgegenkommt. Und der Clou (wenigstens für Japan): Der Wasserverbrauch für sechs bis sieben Kilo Wäsche sank von über den Daumen gepeilten 120 bis 150 Litern im Falle der Bottiche auf rund 60 Liter.

Obwohl Panasonics Maschine doppelt bis viermal so teuer wie die Wäschequirle war, rissen sich die Kundinnen darum. Seitdem führen alle japanischen Hersteller Schrägfrontlader und rüsten sie im Jahrestakt mit allerlei technischen Kabinettstückchen auf, um sich weiter Käufer abzujagen. Als nächsten Schritt machte Pionier Panasonic Waschtrockner zum Marktstandard, die anstatt eines Heißluftgebläses mit einer Wärmepumpe trocknen. Damit können bis zu sechs Kilo und selbst empfindliches Gewebe wie Gummi und Leder getrocknet werden, kein Aussortieren und Umpacken ist mehr erforderlich.

Miele nimmt sich dagegen zunehmend altbacken aus, wie ein Blick in das erste Kellergeschoss des technischen Kaufhauses Bic Camera am Tokioter Bahnhof Yurakucho zeigt. Beginnen wir mit Sharp. Oh weh, ein schlechtes Beispiel, vor denen muss niemand Angst haben. Da ragen ja die Schraubenköpfe in die Trommel. Wenngleich sie abgerundet sind, ist das eine glatte Sechs. Setzen! Aber die anderen Hersteller begehen diesen Anfängerfehler nicht mehr und verbauen ihre neuen Ideen schonend für die Wäsche. Sanyo beispielsweise hat seinen Maschinen einen Tank spendiert, um das Spülwascher zu recyceln. Der willkommene Nebeneffekt: Die Trommel liegt höher, und er lässt sich damit noch einfacher bestücken. Zusätzlich wird das Wasser mit Ozon angereichert, um die Waschkraft zu stärken. O. k., braucht man in Deutschland wohl nicht, weil ja mit lauwarmem oder heißem Wasser gewaschen werden kann. Aber in Japan hat das Stromnetz nur 110 Volt, und daher können die Hersteller keine starke elektrische Heißwasserbereitung einbauen. Kostenpunkt: rund 1200 Euro.

Toshiba wiederum spritzt bei seinem rund 2400 Euro teurem Spitzenmodell nicht nur Silberionen ins Waschwasser, sondern nutzt die Wärmepumpe auch als Klimaanlage fürs Bad. Eine nette Idee, denn das Bad ist im Winter unbeheizt und im Sommer ungekühlt. Hitachi offeriert für nämlichen Preis eine 10-Kilo-Riesentrommel und die Dampfbügelfunktion, die durch Einblasen von Wasserdampf knitterarmes Trocknen verspricht. Panasonic konzentriert sich weiter puritanisch auf den Waschvorgang. Dieses Jahr erweitert der Konzern die Funktion "tanzende Wäsche" um eine Hochdruckeinspritzung des Waschwassers zum "Jet Dancing". Die Tanzfunktion ist ganz lustig. Dabei wird die Trommel elektronisch gesteuert so gedreht, dass die Wäsche in möglichst idealer Bahn durch die Trommel fliegt und auf den Trommelboden prallt. Das Schlagen soll die Wäsche noch sauberer waschen. Außerdem soll das Gerät mit der Nanoe-Ionen-Funktion Leder reinigen können. Unter Panasonics Marketingbegriff Nanoe-Ionen verbirgt sich wissenschaftlich gesehen die elektrostatische Zerstäubung von Wasser in 20 Nanometer große Tropfen. Nur LG aus Korea und Haier aus China trauen sich gegen dieses Trommelfeuer an Innovationen anzutreten. Miele hingegen, obwohl am Markt vertreten, sucht man bei Bic Camera dagegen vergebens. Trauen die sich etwa nicht? Ich werde mal nachfragen. (wst)