Äpfel, die nicht braun werden

In Kanada wachsen Früchte, die dank Biotech-Einsatz länger frisch bleiben, auch wenn sie aufgeschnitten werden.

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Von
  • Antonio Regalado

In Kanada wachsen Früchte, die dank Biotech-Einsatz länger frisch bleiben, auch wenn sie aufgeschnitten werden.

Auf die Idee für seinen immer frisch aussehenden Biotech-Apfel kam Okanagan-Präsident und -Gründer Neal Carter in den 1990er-Jahren. Damals hatten australische Forscher die Gene für die Produktion der Polyphenoloxidase (PPO) identifiziert. Das Enzym ist für die Verfärbung verantwortlich.

Das Hauptgeschäft von Okanagan ist eigentlich eine 24 Hektar große Obstplantage mit 100.000 Bäumen im kanadischen Okanagan Valley. Wenn sich jedoch das Problem mit der Verfärbung nach dem Schneiden lösen ließe, überlegte der Agraringenieur, ließe sich vielleicht ein neuer Markt für Apfelscheiben schaffen. Derzeit werden laut der U.S. Apple Association nur zwei Prozent aller Äpfel in Scheiben verkauft. Um sie länger frisch aussehen zu lassen, werden manchmal Konservierungsstoffe verwendet.

1997 begann Carter seine Versuche mit Apfelbäumen. Er setzte auf eine Methode namens Gen-Stilllegung (gene silencing). Normalerweise greifen Forscher auf Gene von Bakterien oder anderen Spezies zurück, um Pflanzen neue Eigenschaften zu verleihen. Für den "Arctic Apple" aber veränderte Carters Team die eigene DNA der Frucht so, dass weniger PPO entsteht. 2001 hatten seine acht Mitarbeiter gemeinsam mit einigen Wissenschaftlern schon die ersten Stecklinge entwickelt. Zum ersten Mal in einen selbst geschaffenen, nicht braun werdenden Apfel beißen konnte Carter dann 2004.

Dabei ging Okanagan sehr sparsam vor. Nach Carters Aussage kostete die Entwicklung seiner Äpfel nur fünf bis zehn Millionen Dollar. Das nötige Geld kam von 45 Personen, darunter Freunde, Familienmitglieder und Kollegen aus dem Obstgeschäft. Zusätzlich arbeiteten er und seine Frau jahrelang unbezahlt an dem Projekt.

Statt selbst teure Ausrüstung zu kaufen, ließ Carter wissenschaftliche Aufgaben wie die DNA-Sequenzierung extern erledigen. Feldversuche machte er bei befreundeten Farmern, die helfen wollten. Um die Ausgaben weiter zu senken, beantragte das Unternehmen Steuererleichterungen. Teure externe Rechtsexperten heuerte Okanagan nicht an und entschied sich stattdessen, die nötigen Verhandlungen mit den Behörden selbst zu führen.

Der arktische Apfel könnte die erste transgene Pflanze sein, die von einem Farmer entwickelt wurde. Die meisten genetisch modifizierten Organismen (GMO) stammen von Agrochemie-unternehmen, die das nötige Geld für Entwicklung und Kommerzialisierung aufbringen können. Eine Studie aus dem Jahr 2011 beziffert die durchschnittlichen Kosten für die Entwicklung einer genetisch modifizierten Pflanze zur Marktreife auf etwa 130 Millionen Dollar.

"Anfangs waren wir wie Fliegen für einen Elefanten", sagt Carter. "Die Leute haben uns angeschaut und gleich wieder vergessen. Jetzt aber heißt es: Moment mal, die haben es ja wirklich geschafft!" Mit der Kritik an genveränderten Pflanzen geht das Unternehmen offen um. Gegner können auf der Website Kommentare hinterlassen, wissenschaftliche Details sowie vermeintliche Gefahren nachlesen. Bei der Vermarktung stößt Okanagan allerdings an seine Grenzen.

Ein größeres Unternehmen hätte bessere Möglichkeiten, seine Äpfel in große Ketten zu bekommen, glaubt Carter. Das Gleiche gilt für die Plantagen: Bislang wird seine Kreation erst auf 20 der insgesamt 176000 Hektar an Apfelplantagen in den USA angebaut. Er wusste, dass es Millionen Dollar und ein Jahrzehnt an Arbeit bedeuten könnte, den Apfel zu verbreiten.

In dieser Situation kam ein Übernahmeangebot in Höhe von 41 Millionen Dollar von der Biotechfirma Intrexon genau recht. Das vom Milliardär Randal J. Kirk finanzierte Unternehmen hatte vorher schon Produzenten von transgenem Lachs und Schweinen übernommen. Carter nahm sein Angebot unmittelbar nach der Freigabe des Apfels an. (bsc)