Keine Frage, ein Fehler

In der aktuellen Ausgabe habe ich ein Fragezeichen vergessen. Seit vergangenem Freitag gibt es einen triftigen Grund mehr, das öffentlich zu bedauern.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Gordon Bolduan

Die Glücksgefühle über die gerade fertiggestellte Ausgabe sind verflogen, denn es gilt einen Fehler zu beichten, der schmerzt. Auf Seite 10 habe ich das Setzen eines Fragezeichens vergessen. Hinter „Gefahr erkannt und gebannt“ hätte es stehen sollen, dem fettgedruckten Teil der Bildunterschrift unter Bildern, die von drei Überwachungskameras stammen. Auf allen drei ist die gleiche Person zu sehen, umrandet von einem grünen Kasten. Das klingt, wie eine lächerliche Kleinigkeit, ist aber ganz ernsthaft problematisch.

Warum? Die Bilder zeigen ein Software-System bei der Arbeit, dass James Davis, Professor für Informatik an der Ohio State University im gleichnamigen US-Bundestaat, entwickelt hat. Mittels eines speziellen mathematischen Verfahrens vereint es die Überwachungsbilder mehrerer Kameras mit einer präzise vermessenen Luftaufnahme des überwachten Gebietes und ermöglicht so eine automatische Verfolgung einer markierten Person durch mehrere Kameras.

Davis hegt ein akademisches Interesse für Video-Überwachung, seit er das Sicherheitscenter seiner Universität besichtigt hat. Denn dort sitzen unter anderem zwei Uni-Beschäftigte in einem kleinen Raum, starren auf zehn Monitore, auf denen sie wiederum hunderte von Überwachungsbildern beobachten und analysieren. Verdachtsmomenten gehen sie dabei mühsam mit Tastatur und winzigem Joystick nach.

Solch ein Überwachungsraum existiert nach Aussagen von Davis an jeder amerikanischen Universität. Er soll helfen, die Kriminalität auf dem Campus einzudämmen, soll sicherstellen, das die schlimmste aller Taten, ein Amoklauf, nie wieder so viele Opfer fordert wie am 16. April 2007 an der Virginia Polytechnic Institute and State University in Blacksburg, USA. 33 Menschen starben damals. Mit seinem System will Davis den visuell überlasteten Sicherheits-Beschäftigten ein besseres Werkzeug an die Hand geben. Seine Motivation ist legitim.

Nicht legitim ist jedoch, dass ich durch die fehlerhafte Bildunterschrift, den Eindruck schaffe, dass Videoüberwachung ein wirklicher Schutz ist. Oft kann sie die eigentliche Tat lediglich dokumentieren. 1993 zeigten Videokameras, wie der zweijährigen James Bulger arglos an der Hand von zwei Jugendlichen ein Einkaufszentrum verlässt. Später töteten sie ihn. Im Kontrollraum hatte keiner der Überwacher Verdacht geschöpft. Warum auch?

Nicht nur dieser Vorfall auch die vor wenigen Tagen veröffentlichte Studie über Videoüberwachung in San Francisco zeigt jedoch, wie wichtig es ist solch „intelligente“ Überwachungsmaßnahmen zu hinterfragen. Am Freitag nun wurde an der Virginia Tech eine Studentin ermordet, in einer Cafeteria, vor Augenzeugen. Auch diese Tat konnten die elektronischen Spähhilfen nicht verhindern. Vor diesem Hintergrund ist das fehlende Fragezeichen alles andere als lächerlich. (wst)