The world is (not) enough

Nicht nur Öl und Uran können knapp werden – auch eine Reihe von Metallen für wichtige und grüne Zukunftstechnologien. Und das, obwohl die Metallvorkommen auf der Erde nach menschlichen Maßstäben unerschöpflich sind.

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Von
  • Niels Boeing

Im Forum zu meinem letzten Blogeintrag kam es zu einem Streit über die Frage, wie lange das Uran denn nun reichen wird. Einer der Diskutanten meinte, es sei „bescheuert“, angesichts der Größe der Erde zu glauben, bestimmte Stoffe könnten uns ausgehen. Ein anderer hielt dagegen, bei 6,5 Milliarden Menschen, die alle dem westlichen Lebensstil folgen wollen, sei die Endlichkeit der Erde sehr wohl ein Thema.

Dass wir nur eine Erde haben, aber leben, als gäbe es noch drei weitere in einem kosmischen Lagerhaus, ist eine seit Jahren bekannte Mahnung. Beim Flächenfraß und Ölverbrauch sind die Grenzen ja auch bereits am Horizont erkennbar geworden. Aber wie sieht es zum Beispiel mit Metallen aus, ohne die unsere Zivilisation nicht möglich wäre – erst recht mit selteneren Metallen und Halbleitern?

Wenn man zunächst die Erdkruste betrachtet, dann ist die Erde nach menschlichen Maßstäben tatsächlich unerschöpflich. Die Masse dieser zwischen 10 und 70 Kilometer dicken Schicht beträgt 13,24 Trillionen Tonnen. Der US-Ökonom William Nordhaus errechnete 1974, dass etwa das gesamte Blei in der Erdkruste (Massenanteil 0,0015 %) nach dem damaligen Jahresbedarf noch 85 Millionen Jahre reichen würde, das häufiger verwendete Kupfer (Massenanteil 0,0068 %) 83 Millionen Jahre. Eisen (Massenanteil 5,8 %) wäre gar für 600 Millionen Jahre vorhanden. Aber selbst vom äußerst seltenen Ruthenium (Massenanteil 0,00000001 %), das vor allem in der Elektronik genutzt wird und in der Photovoltaik künftig eine Rolle spielen könnte, gibt es in der Erdkruste gut 132 Milliarden Tonnen (Übersicht über die Elementhäufigkeiten).

Dass die Menschheit diese und andere Bestände je komplett verbraucht, ist auch mit 13, 26 oder 52 Milliarden Menschen nicht nur unwahrscheinlich, sondern ausgeschlossen.

Dafür können wir uns aber nichts kaufen, denn an den Löwenanteil der Metalle und Halbleiter kommen wir mit unseren Mitteln ohnehin nicht heran. Wie lange aber halten die bekannten Vorräte? Und bekommen neue Technologien für Elektronik, Displays und Photovoltaik, die auf zahlreiche zum Teil seltenere Metalle angewiesen sind, womöglich ihr eigenes „Ölproblem“?

Die einzig sichere Antwort auf die erste Frage ist die „statische Reichweite“ eines Rohstoffes. Man erhält sie, in dem man die Menge der bekannten, derzeit wirtschaftlich förderbaren Vorkommen, „Reserven“ genannt, durch den jeweils aktuellen Weltjahresverbrauch teilt. Das Worst-Case-Szenario sozusagen. So betrug 2006 die statische Reichweite von Kobalt etwa 100 Jahre, von Kupfer etwa 30, von Zinn etwa 20 und von Indium vielleicht 5, 6 Jahre. Indium ist ein wichtiges Material, weil es in den ITO-Elektrodenschichten von Displays oder neuen Solarzelltypen vorkommt.

2007 schnellte die statische Reichweite von Indium aber auf 21,6 Jahre, weil neue Reserven hinzukamen. Eine „Fristverlängerung“ von 270 Prozent also. Tatsächlich kommt es seit Jahrzehnten regelmäßig zu solchen Fristverlängerungen: Die Kupferreserven pendeln seit 1973 um die 400 Millionen Tonnen, obwohl sich der Kupferverbrauch seitdem verdoppelt hat und jährlich bei etwa 17 Millionen Tonnen liegt.

Zur zweiten Frage: Das Berliner Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) hat im Auftrag des Bundeswirtschaftsministerium untersucht, wie sich 32 ausgewählte Innovationen, die bis 2030 Mainstream-Technologien werden könnten, auf den Verbrauch von 22 Metallen auswirken. Das Mitte März vorgelegte Ergebnis, lax gesagt: Wenn bei einigen Metallen die Reserven nicht deutlich gestreckt werden, bleiben einige Innovationen wohl im Möglichkeitsraum der Geschichte hängen. Der globale Bedarf an Gallium wird 2030 sechs Mal so hoch sein wie dessen gegenwärtige jährliche Weltproduktion. An Indium wird dann 3,3 Mal, an Germanium 2,4 Mal, an Platin 1,6 Mal so viel benötigt wie derzeit gefördert wird. Eher unproblematisch entwickelt sich laut IZT die Nachfrage bei Silber, Zinn, Kobalt, Titan oder Kupfer.

Optimisten gehen immer davon aus, dass die Ausweitung der Rohstoffreserven dank des technischen Fortschritts weiterhin so verläuft wie oben am Beispiel von Kupfer oder Indium gezeigt. Allerdings müssen auch genügend Kapital und Renditemöglichkeiten da sein. Wenn als Folge der neuen Weltwirtschaftskrise der Abschwung der Rohstoffpreise nach der Hausse der vergangenen Jahre anhält, könnten gleich beide knapp werden. Dann würden etwa Energieinnovationen wie Dünnschicht-Photovoltaik oder Brennstoffzellen gerade dann stecken bleiben, wenn sie am dringendsten benötigt werden.

Hier zeigt sich: Die gegenwärtige Krise des Kapitalismus droht eine Abwärtsspirale in Gang zu setzen, die den Übergang zu einem nachhaltigeren Wirtschaftssystem nachhaltig verhindern kann. (wst)