Südkorea greift nach den Öko-Sternen

Mit massiven staatlichen Investitionen will Südkorea Deutschland, Japan und den USA die Führerschaft im grünen High-Tech-Bereich streitig machen. Der Aufstieg von Samsung und Hyundai zeigt, dass ernste Konkurrenz droht.

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Von
  • Martin Kölling

Korea ist bekannt dafür, Projekte zu verkünden, die kindlicher Allmachtsfantasien zu entspringen scheinen. Nein, ich will hier nicht davon sprechen, dass Nordkoreas Führer Kim Jong-il derzeit wachträumt, seine rückständige Teilnation in eine Atommacht zu verwandeln. Es geht um Südkoreas "Star-Marken"-Programm, mit dem die kapitalistische koreanische Variante versucht, Deutschland, Japan und den USA bei grüner und anderer Hochtechnologie den Rang abzulaufen. Was man auch immer von den Plänen halten mag, wenigstens lassen Koreas Regierungen Worten Taten folgen – im Falle Südkoreas in Form von jeder Menge Geld.

In den kommenden fünf Jahren will Südkorea 24.500 Milliarden Won (rund 14 Milliarden Euro) investieren, um 62 Weltmarken in 17 Produktbereichen aufzubauen – von Umwelttechnik über neuartige Hightech-Elektronik bis hin zu Mehrwert schaffenden Dienstleistungen. Dies teilte Cho Seok, Vizeminister für Wissenschaft, in dieser Woche mit. Unter Star-Marken versteht er Produkte und Techniken, die ein hohes Potenzial auf schnelles Wachstum und große Marktanteile haben – wie zum Beispiel offenbar künftig unvermeidliche Dinge wie Robotern, Brennstoffzellen, Biotechnik, Atomkraft und sauberer Fortbewegungsmittel. (Wobei die Regierung die Herstellung von Schuhwerk wohl China überlassen wird.)

Vizeminister Cho erklärte recht einleuchtend, warum die Regierung ausgerechnet diese Felder auserkoren hat: "Südkorea führt derzeit in diesen Gebieten nicht. Aber weil sie neu und innovativ sind, ist die technische Lücke zu den fortgeschrittenen Industrienationen nur klein." Sprich aufholbar. 700.000 Arbeitsplätze und 300 mittelständische Betriebe soll das schaffen.

Meines Erachtens ist es eine beachtenswerte Initiative. Denn damit versucht die Regierung ein gefährliches Loch in der Industriestruktur der ostasiatischen Wirtschaftswunderlandes zu flicken. Südkorea hat sich in nur drei Jahrzehnten vom Bauernstaat in eine Industrienation verwandelt, in dem es riesige Konglomerate aufgepumpt hat. Die Folge: Auf der einen Seite gibt es Megakonzerne wie Samsung in der Elektronikindustrie und Hyundai im Autobau, die auf Weltniveau reüssieren und Export und die Wirtschaft dominieren.

Auf der anderen Seite überleben Myriaden an technisch wenig entwickelten Kleinunternehmen, von denen viele durch den Aufstieg Chinas ausgelöscht zu werden drohen. Was bisher fehlt, ist ein hochinnovativer Mittelbau an mittelgroßen Firmen mit eigener Technikentwicklung wie in Deutschland und etwas eingeschränkter in Japan, der in einigen Produktbereichen die Weltmärkte beherrscht. Selbst Südkoreas Großkonzerne müssen daher wichtige Bauteile für ihre Flachbildfernseher oder andere populäre Produkte noch immer aus Japan zukaufen.

Natürlich kann der Plan scheitern, denn schon die Herausforderungen sind riesig. Daheim durch die extrem gespaltene Industriestruktur, durch eine extrem elitäre Gesellschaft, in der der Status einer Person an der Zugehörigkeit zu einem der großen Unternehmensverbände gemessen wird, durch ein auf blindes Pauken ausgelegtes Schulsystem. Im Ausland, weil die Konkurrenz nicht schläft. US-Präsident Barack Obama scheint wild entschlossen, die Wirtschaftskrise durch die Schaffung einer grünen "Mega-Bubble" zu bekämpfen, Stichwort: Green New Deal.

Japans Regierung fand den Begriff so passend, dass sie ihn umgehend geborgt hat und Ende April eine eigene Version bekanntgab. Der wie auch immer gemessene grüne Markt soll bis 2020 auf 120.000 Mrd. Yen (900 Mrd. Euro) wachsen, 70 Prozent mehr als 2006. Die Zahl der "grünen" Arbeitsplätze soll sich sogar auf 2,8 Millionen verdoppeln.

Es verspricht also, spannend zu werden – besonders für deutsche Unternehmen. Denn Konkurrenz wird aufkommen. Das mag gut für die Umwelt sein, aber nicht unbedingt für Firmen. Denn Konkurrenz muss nicht immer das Geschäft beleben und zur Profitmaximierung beitragen, wie so gerne von Freunden der Marktwirtschaft behauptet wird. Sie kann auch sehr schnell in "Überwettbewerb" – wie selbst beinharte kapitalistische Unternehmer und Analysten klagend den Zustand nennen, in dem viele Unternehmen sich um einen begrenzten Markt balgen – führen und Gewinnspannen minimieren. Es gibt keinen Grund zur Hochnäsigkeit. Die Agilität vieler asiatischer Firmen dürfte deutschen Unternehmen durchaus zu denken geben. (wst)