Apple Music und Beats 1 gehen auf Sendung

Der Spotify-Konkurrent will mehr sein als ein typisches Streaming-Angebot zum monatlichen Festpreis. Apple tritt mit redaktioneller Vorauswahl, einer eigenen Radiostation und einem sozialen Netzwerk für Künstler an.

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Taylor Swift

Taylor Swift – nach Debatte um die Vergütung nun Teil von Apple Music

(Bild: dpa, Rolf Vennenbernd)

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Mit Apple Music hat der iPhone-Hersteller am Dienstag einen hauseigenen Musik-Streaming-Dienst ins Rennen geschickt, der in über 100 Ländern zu hören ist und für die ersten drei Monate kostenlos angeboten wird. Zur Nutzung von Apple Music ist ein iOS-Gerät mit Version 8.4 erforderlich, das Update hat Apple vor kurzem freigegeben. Zudem lässt sich Apple Music mit iTunes auf Macs und Windows-PCs nutzen, die neue Version dürfte im weiteren Verlauf des Dienstages folgen. Eine erste hauseigene Android-App will der Konzern im Herbst nachliefern, ebenso wie die Apple-TV-Unterstützung.

Musik-App in iOS 8.4 (5 Bilder)

Zunächst möchte Apple Music seinen Benutzer kennenlernen.

Das Musikangebot umfasst derzeit einen Mietkatalog von gut 30 Millionen Titeln – zum branchenüblichen Preis von 10 Euro pro Monat. Der dreimonatige Gratis-Zeitraum wandelt sich automatisch in eine bezahlte Mitgliedschaft, wenn der Nutzer nicht vorher kündigt. Zusätzlich bietet Apple einen Familienzugang für 15 Euro an: Dieser deckt bis zu sechs Mithörer im Rahmen der iOS-Familienfreigabe ab.

Ähnlich wie Beats Music setzt Apples Neuauflage besonders auf eine von Menschen statt von Algorithmen getroffene Musikauswahl sowie Empfehlungen und ausgewählte Wiedergabelisten, darunter auch Playlists beispielsweise von Musikmagazinen wie "Rolling Stone". Zusätzlich bietet Apple Music Wiedergabelisten, die für bestimmte Aktivitäten wie Workouts, Strandspaziergänge oder Autofahrten ausgelegt sind. Definiere man einen Dienst nur dadurch, dass er 30 Millionen Songs bereithält, seien schließlich alle gleich, betonte iTunes-Chef Eddy Cue gegenüber The Loop.

Ein weiterer Hauptbestandteil des Angebotes ist "Radio": Neben Apples hauseigener Radiostation Beats 1, die rund um die Uhr senden soll und mit einem Staraufgebot an Gästen und Moderatoren aufwartet, findet sich iTunes Radio in Apple Music wieder: Verschiedene Radiostationen, die um ein bestimmte Genre gruppiert sind – auch hier soll die Zusammenstellung der aufeinander folgenden Titel teils von Menschen erfolgen. Zahlende Mitglieder können unerwünschte Lieder jederzeit überspringen, bei kostenloser Nutzung ist dies nur begrenzt möglich.

Mit "Connect" führt Apple zudem ein soziales Netzwerk ein, in dem Künstler bestimmte Inhalte veröffentlichen können, darunter neben Fotos und Videos auch neue Musik – Nutzer haben die Möglichkeit, den Musikern zu folgen und mit den Inhalten zu interagieren oder diese in gängigen Netzwerken wie Facebook und Twitter zu teilen. Das Abspielen und Speichern von auf Connect veröffenlichten Inhalten bleibt zahlenden Mitgliedern vorbehalten.

Als Bestandteil von Apple Music wird auch die lokal vorliegenden Musik erfasst und – falls diese nicht im Katalog von Apple Music enthalten ist – auf Apples Server übertragen, um anschließend auf allen Geräten des Nutzers zur Verfügung zu stehen. Diese Funktion bietet Apple bereits seit längerem mit iTunes Match. Der Dienst wird offenbar weiterhin für Nicht-Abonnenten von Apple Music angeboten.

Das Unternehmen arbeitet außerdem daran, Liedtexte in Apple Music zu integrieren. Dies teilte es gegenüber dem US-Journalisten Walt Mossberg mit, der den Streaming-Dienst bereits vorab ausprobieren konnte. Zum Start muss das Angebot noch ohne Texteinblendung zum aktuell gespielten Song auskommen. Wann Apple die Funktion nachliefert, bleibt unklar – Details über die Art der Liedtext-Einbindung liegen ebenfalls nicht vor.

Nach Angabe des Weltverbandes der Phonoindustrie (IFPI) entfällt inzwischen ein knappes Drittel des globalen Umsatzes mit digitaler Musik auf Streaming-Dienste mit Werbefinanzierung und Abo-Modellen. Die wachsende Beliebtheit der Miet-Angebote schlägt sich zunehmend auch auf Apples Geschäft im iTunes Store durch: Seit gut einem Jahr verzeichnet Apple iTunes rückläufige Umsätze beim Verkauf von Musik und Videoinhalten.

Der weltweit größter Händler für digitale Musik hat den Streaming-Markt über Jahre konsequent ignoriert: Der verstorbene Firmengründer Steve Jobs betonte stets, Nutzer wollen Musik kaufen und nicht mieten. Erst sein Nachfolger Tim Cook rückt von diesem Mantra ab und ließ sich die Übernahme der Firma Beats drei Milliarden Dollar kosten – neben einem auf kuratierten Listen basierenden Streaming-Dienst hat Apple damit auch einen Kopfhörer- und Lautsprecher-Hersteller sowie zahlreiche neue Mitarbeiter mit engen Verbindungen in die Musikbranche an Land gezogen.

Zahlreiche Konkurrenten wie Spotify, Rdio, Deezer oder Pandora haben die Zeit genutzt, um eigene Streaming-Angebote aufzubauen und Nutzer zu locken: Spotify beispielsweise zählt derzeit gut 20 Millionen zahlende Mitglieder. Apples Ambitionen für Apple Music dürften allerdings um ein Vielfaches höher liegen – der Konzern zählt über 800 Millionen iTunes-Nutzer, die es gewohnt sind, für Inhalte zu bezahlen. Mit der Integration in die Musik-App von iOS 8.4 sowie die Desktop-App iTunes rückt der Dienst zudem automatisch ins Blickfeld einer Nutzerzahl im höheren dreistelligen Millionenbereich. (lbe)