MP3-Stethoskop
Lungenärzte haben den MP3-Player als neues Stethoskop entdeckt. Ganz abwägig sind Lungen-Podcast & Co. nicht.
- Veronika Szentpetery-Kessler
Es ist vom Hals eines Arztes eigentlich nicht wegzudenken. Rasch kann er damit Herz-, Lungen- und Darmgeräusche abhören oder anhand des Blutflussgeräusches den Blutdruck messen. Das gute alte Stethoskop wandelt mit Hilfe einer einfachen Membran die Schallwellen aus dem Körper des Patienten in Vibrationen um und gibt und einem geschulten Mediziner Hinweise über den gesundheits- oder Krankheitszustand.
Genau mit diesem geschulten Ohr von angehenden und frischgebackenen Medizinern haperte es offenbar öfter an der Universität von Alberta im kanadischen Edmonton: Deshalb machten sich die Lungenärzte Neil Skjodt und William Hodgetts auf die Suche nach einem Gerät, das den Studenten das Erlernen der Geräuschbeurteilung leichter machen würde. Fündig wurden sie ausgerechnet bei einem handelsüblichen MP3-Player mit Mikrophon. Als Skjodt das Mikrophon an die Brust eines Patienten hielt und auf den Aufnahmeknopf drückte, war er nach eigener Aussage völlig überrascht, wie gut die Qualität und die Klarheit der Töne waren. Sie seien nicht nur besser gewesen als sein altes Stethoskop, sondern hätten auch die Qualität von modernen elektronischen Versionen überflügelt.
Die Vorzüge liegen auf der Hand: Mit Hilfe des MP3-Players ließen sich die Aufnahmen ähnlich wie Röntgenbilder mehrfach begutachten, einem Kollegen zur Konsultation schicken und in einer elektronischen Patientenakte ablegen. Zusätzlich kann der Arzt Sprachnotizen zu den Befunden aufnehmen. Skjodt räumte allerdings ein, dass hauptsächlich die lauten Töne wie Pfeifgeräusche der Lunge gut zu hören seien. Bei leisen Tönen würde es auch beim zweckentfremdeten Musikplayer schwierig. Dennoch ist er so begeistert, dass er das Gerät für die Untersuchung weiterer Körpergeräusche testen will.
Ob eines Tages ein MP3-Stethoskop in der Tasche des Hausarztes steckt und nicht mehr das jahrhundertealte Erkennungszeichen des Hypokratesschen Handwerks, bleibt abzuwarten. Bei Preisen von mehreren hundert Euro für ein elektronisches Stethoskop wäre es zumindest preislich konkurrenzfähig. Andererseits liefert das MP3-Stethoskop den Lungenpodcast nicht in Echtzeit, wenngleich er immerhin für Ausbildungszwecke genutzt werden könnte, um die angehenden Medizinier für charakteristische Töne zu sensibilisieren. Ihr Gehör werden sie aber auch weiterhin intensiv schulen müssen, um korrekte Diagnosen zu stellen. (wst)