Kolumne: IT-Berater in Deutschland - inkompetent und unverschämt?

Kundenorientierung und Kundenzufriedenheit liegen jedem Unternehmen am Herzen. Zumindest offiziell. Doch ist das wirklich so? Wenn man einem Artikel des manager-magazins glauben will, haben die IT-Beratungen damit nichts am Hut.

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Von
  • Damian Sicking

Lieber Accenture-Chef Dr. Stephan Scholtissek,

das manager-magazin veröffentlicht in der aktuellen Oktober-Ausgabe einen sechsseitigen Beitrag über die Qualität von IT-Beratern in Deutschland. Schlagzeile auf der Titelseite: "IBM & Co im Test. Was IT-Berater taugen." Sollten Sie, lieber Herr Dr. Scholtissek, vor der Lektüre dieses Artikel noch gut gelaunt gewesen sein, danach waren Sie es sicher nicht mehr. Denn der Text erhebt massive Vorwürfe gegen Accenture, T-Systems, IBM, CSC und die anderen. Die beiden wesentlichen lauten: 1. Die Problemlösungskompetenz der Berater läßt stark zu wünschen übrig, weshalb viele Projekte scheitern. 2. Die IT-Beratungsunternehmen ziehen die Kunden über den Tisch.

Der manager-magazin-Artikel beruft sich in wesentlichen Teilen auf eine Studie des Bonner Wirtschaftsprofessors Dietmar Fink. Sie, lieber Herr Dr. Scholtissek, kennen Herrn Fink ja recht gut, schließlich sind Sie beide Co-Autoren des Buches "Die dritte Revolution der Wertschöpfung". Fink ist Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Managamentforschung mbH (DGMF), ausgewiesener Fachmann im Beratermarkt und hat in den vergangenen Monaten 250 Führungskräfte der größten Firmen nach ihrer Zufriedenheit mit den externen IT-Beratern befragt.

Ich kann an dieser Stelle nicht ausführlich auf die Vorwürfe eingehen, die gegen die IT-Beratungsgesellschaften erhoben werden, aber wenn nur die Hälfte davon stimmt, dann ist das schon schlimm genug. (Leider haben die manager-magazin-Redakteure vergessen, den IT-Consultants Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, was den Wert des Artikel deutlich mindert.) Daher möchte ich mich auf einen Punkt beschränken: die Kundenorientierung.

Natürlich sind IT-Beratungen kundenorientiert. Aber wenn man dem manager-magazin-Artikel glauben will, dann heißt Kundenorientierung für die IT-Consultants in erster Linie: Auf welche Weise kann ich dem Kunden das meiste Geld aus der Tasche ziehen? Ja gut, kann man sagen, tun das nicht alle Firmen (also die Kundenfirmen ihrerseits bei ihren Kunden nicht ebenso)? Erhöhung der Wertschöpfung pro Kunde nennt man das auch. Das klingt nicht nur viel besser, sondern ist auch völlig legitim. Nur: Das hat mit Kundenorientierung nichts zu tun. Kundenorientierung heißt in erster Linie, dass ich dem Kunden helfe, ein bestimmtes Problem zu lösen, welches er alleine nicht lösen kann. Das ist der entscheidende Punkt: Wenn ich als IT-Beratung nicht bestrebt bin, das Problem des Kunden zu lösen, sondern vor allem mein eigenes (nämlich den Umsatz und Gewinn zu steigern, die Gesellschafter und Aktionäre zu befriedigen, meinen Bonus zu sichern etc.), dann bin ich nicht kundenorientiert. Das Ziel der Kundenorientierung ist die Kundenzufriedenheit, nichts anderes. Und wenn Kundenzufriedenheit der Maßstab für Kundenorientierung ist, dann scheint es für die IT-Berater wirklich verdammt schlecht auszusehen. Denn nach der Fink-Studie sind bis zu zwei Drittel der großen Kunden mit den Leistungen einzelner Berater nicht oder nur zum Teil zufrieden. Bis zu zwei Drittel!

Nun stellt sich der eine oder andere Consultant womöglich auf den Standpunkt, die Kunden sollen sich nicht so aufregen, sie seien schließlich selber schuld. Die Anbieter würden schließlich nur den Spielraum nutzen, der ihnen aufgrund von mangelnder Projektleitung und unzureichendem Controlling auf Kundenseite zur Verfügung stehe. Das ist im Grundsatz die gleiche Argumentation, die Banker benutzen, wenn sie ihren Kunden Kredite und Anlagen aufschwatzen, die an den tatsächlichen Bedürfnissen und Möglichkeiten der Kunden vorbeigehen. In beiden Fällen spielt das Interesse der Kunden keine Rolle.

Tja, lieber Herr Dr. Scholtissek, jetzt sind Sie dran. Auf Sie haben sich die manager-magazin-Redakteure ja besonders eingeschossen. Die Autoren des Artikels werfen Ihnen vor, Sie würden in einem "absoluten IT-Utopia" leben, abgehoben von der Wirklichkeit und völlig ohne Bodenhaftung. Das mit dem "IT-Utopia", das ist ein kleiner Seitenhieb auf Ihren Zukunftsroman "Stromland", der im Jahr 2020 spielt. Angeblich haben Sie behauptet, dass von 1.000 IT-Projekten unter der Accenture-Flagge maximal ein einziges nicht so läuft, wie geplant. Diese Aussage steht natürlich in einem eklatanten Widerspruch zu den Angaben der CIOs in den Unternehmen. Jetzt fragt man sich natürlich: Wie passt das zusammen? Ist am Ende Ihre Wirklichkeit tatsächlich eine andere als die der CIOs?

Beste GrĂĽĂźe

Damian Sicking

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