Kolumne: Kann man heute noch Optimist sein?
Viele Menschen haben derzeit das bedrückende Gefühl, der KRISE ohnmächtig ausgeliefert zu sein. Die Angst macht sich breit, dass ALLES den Bach heruntergehen könnte. Harte Zeiten auch für Optimisten.
Lieber "Berufsoptimist" Michael Fassbender,
vielen Menschen in der Branche sind Sie als ehemaliger und langjähriger General Manager von Toshiba in Erinnerung. Weniger bekannt ist, dass Sie auch eines der Gründungsmitglieder des "Clubs der Optimisten" sind, von der Süddeutschen Zeitung einmal leicht spöttisch der "Krisenstab der guten Laune" genannt. Angesichts der derzeitigen KRISE (die ja inzwischen deutlich mehr als eine "Banken-" oder "Finanzkrise" ist) musste ich in den vergangenen Tagen öfter an Sie und Ihren Verein denken. Es stellt sich ja derzeit mit einiger Berechtigung die Frage: Kann man heute noch Optimist sein?
Wenn man in diesen Tagen die Zeitungen und die Newsseiten im Internet liest oder die Nachrichtensendungen im Fernsehen sieht, dann gewinnt man den Eindruck, der Untergang des Abendlandes stehe unmittelbar bevor. Wenn es das Wort "Abgrund" im Deutschen nicht gäbe, hätten viele Journalisten heute ein echtes "Wording"-Problem. Aber das ist ein anderes Thema. Tatsache ist, dass viele Menschen – nicht nur Anleger und Sparer – das bedrückende Gefühl haben, einer Entwicklung ausgeliefert zu sein, auf die sie selber keinen Einfluss haben. Das Gefühl der Ohnmacht geht um. Dieses Gefühl der fehlenden Handlungsmöglichkeiten sorgt für Angst, bisweilen auch für Panik. In schlaflosen Nächten fragen sich die Menschen: Soll ich meine Aktien verkaufen oder behalten, soll ich mein Geld auf der Bank liegen lassen oder unter meiner Matratze verstecken, soll ich einen Batzen Gold kaufen oder noch einmal nett essen gehen, soll ich mich erhängen oder von der Brücke springen?
Wie kann man jetzt noch optimistisch sein? Ich denke, man kann nicht nur, man muss sogar optimistisch sein. Optimismus ist sicher nicht die banale und naive Haltung "Alles wird gut" einer Nina Ruge. Optimismus ist vielmehr die grundlegende Überzeugung, dass man die Dinge in seinem Sinne verändern kann. Vor diesem Hintergrund stellt die heutige wirtschaftliche Lage natürlich eine besondere Herausforderung an den Optimismus: Denn das schlechte Gefühl vieler Menschen, in dieser KRISE nicht viel tun zu können, korrespondiert ja tatsächlich weitgehend mit der Wirklichkeit. Niemand von uns kann die KRISE beheben, zumindest nicht als Einzelner. Wir können allenfalls in unserem kleinen Bereich einzelne Maßnahmen treffen in der Hoffnung, dass sie sich als richtig erweisen (lesen Sie dazu auch meine Kolumne über SAP). Aber wenn ALLES zusammenbricht, dann sitzen wir mit im Boot. Also schwere Zeiten auch für den Optimismus?
Ja, natürlich, die KRISE ist auch eine Herausforderung für den Optimismus. In guten Zeiten ist es leicht, optimistisch zu sein. Ein wahrer Optimist zeigt sich erst dann, wenn es schwierig wird. Zum Optimismus gehört ganz wesentlich auch die Gelassenheit, nämlich die Gelassenheit in Bezug auf Dinge, auf die wir keinen Einfluss haben und die wir nicht ändern können. Von denen gibt es ja reichlich. Das Wetter zum Beispiel (jaja, ich weiß schon, Klimaschutz, Ozonloch, CO2-Ausstoß etc.). Ob morgen die Sonne scheint oder ob es hagelt – hier sind wir machtlos. Wir können uns lediglich darauf einstellen. Und natürlich beten. Vielleicht ist Beten nicht das Schlechteste, was man in Krisen tun kann. Sicher kennen Sie, lieber Herr Fassbender, das sogenannte "Gelassenheitsgebet" (Herkunft umstritten): "Gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann. Gib mir den Mut, Dinge zu verändern, die ich ändern kann. Und gib mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden."
Die Dinge in seinem Sinne zu verändern, bedeutet zuweilen auch, einfach gar nichts zu tun. Abwarten und Tee trinken ist manchmal die beste Handlungsoption. Für einen Optimisten sowieso.
Beste GrĂĽĂźe
Und hier die Antwort von "Berufsoptimist" Michael Fassbender.
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