Kolumne: Die alte Kaufmannsweisheit "Der Gewinn liegt im Einkauf" ist überholt

Ganze Kaufmannsgenerationen sind mit dem Glaubensbekenntnis aufgewachsen, dass der Gewinn des Unternehmens im Einkauf erzielt werde. Also-Geschäftsführer Michael Dressen meint, dass es sich dabei um eine Irrlehre handelt.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Damian Sicking

Also-Geschäftsführer Michael Dressen

(Bild: Also)

Lieber Also-Geschäftsführer Michael Dressen,

gestern hat die Also-Konzernmutter in der Schweiz die Geschäftszahlen für die ersten neun Monate dieses Jahres vorgelegt, und auch diese Zahlen zeigen, dass es schon einmal einfacher war, gute Geschäftsergebnisse auszuweisen. Aufgefallen ist mir in diesem Zusammenhang eine Bemerkung, die Sie in einem Interview mit der Branchenzeitschrift IT-Business gemacht haben. Sie sagten: "Wenn das Wachstum ausbleibt, muss die Profitabilität erhöht werden. Das muss auch jeder Händler realisieren. Geld lässt sich künftig nur noch mit dem Verkauf guter Qualität verdienen. Den Gewinn im Einkauf zu suchen, wird nicht mehr klappen, weder für die Distribution noch für die Händler." Interessant ist diese Bemerkung vor allem deshalb, weil sie ja in totalem Gegensatz steht zu der alten und vielfach noch immer bestehenden Kaufmannsweisheit, dass der Gewinn im Einkauf liege. Ich habe mal ein bisschen im Netz recherchiert und dabei festgestellt, dass es noch immer zahlreiche Seminare , Trainings und Kongresse ("Jeder Euro, den Sie im Einkauf sparen, ist sofortiger Gewinn") unter der Überschrift "Im Einkauf liegt der Gewinn" gibt. Natürlich werden auch immer noch jede Menge Artikel zu diesem Thema veröffentlicht. Immerhin: Es gibt auch schon vorsichtigere Stimmen, die meinen, dass im Einkauf lediglich der "halbe Gewinn" stecke.

So, und nun kommt Michael Dressen daher und behauptet mal eben, das stimme alles nicht, die Leute hätten Unrecht, der Gewinn liege nicht im Einkauf, sondern im Verkauf.

Ich muss Ihnen gestehen, lieber Herr Dressen, dass ich den Satz "Im Einkauf liegt der Gewinn" schon immer für Quatsch gehalten habe. Er verleitete – und verleitet noch immer – auch viele IT-Händler dazu, stundenlang am Telefon zu hocken, um eine Festplatte, eine Tastatur oder einen Tintenstrahldrucker irgendwo noch ein paar Cent billiger zu bekommen. Dass dieser Einkauf als Gesamtprozess dann natürlich sehr teuer ist, realisieren sie dann gar nicht. Hauptsache, bei der Bestellung selbst wurde gespart. Ist das kaufmännisch klug? Übrigens bin ich der festen Überzeugung, dass zwischen der Kaufmannsweisheit "Der Gewinn liegt im Einkauf" und der Weltanschauung "Geiz ist geil" ein direktes Verwandtschafts- bzw. Abstammungsverhältnis besteht, wobei der Satz "Der Gewinn liegt im Einkauf" die Mutter und der Satz "Geiz ist geil" die Tochter ist (kann auch Vater-Sohn sein).

Firmen müssen Gewinne machen, soviel steht fest. Zumindest irgendwann mal. Auch ein Startup muss irgendwann mal einen Gewinn ausweisen. Es gibt Zeiten, da macht es einem die Konjunktur einfacher, Profit zu erzielen, und es gibt Zeiten, da ist es schwieriger. Derzeit ist es schwieriger, und daran wird sich in den kommenden Monaten sicherlich nichts ändern. Wie stellt sich die Lage für Also und eigentlich für alle Unternehmen in der IT-Branche heute dar? Ich denke, wir haben es mit folgenden Faktoren zu tun:

1. Kaum Marktwachstum.

2. Die Kostensenkungsmöglichkeiten sind weitgehend ausgereizt.

3. Der Großteil der Umsätze kommt von etablierten Produkten (kaum Innovationen).

4. Die meisten der angebotenen Produkte und Leistungen sind austauschbar.

5. Ein überaus harter Wettbewerb.

6. Die Kunden können problemlos den Anbieter wechseln.

Ich denke, das ist eine recht gute Beschreibung der Situation, in der sich die Branche derzeit befindet. Eine ungemütliche Situation. Bei diesen schwierigen Rahmenbedingungen einen Gewinn zu erzielen, stellt besonders hohe Anforderungen an das Management der Unternehmen.

Vielleicht sollte ich an dieser Stelle gestehen, dass ich die obige Situationsbeschreibung geklaut habe. Ich habe sie nämlich mehr oder weniger dem bereits vor zwei Jahren erschienenen Buch "Der gewinnorientierte Manager" von Hermann Simon entnommen. In dem gesamten Buch geht es einzig und allein um diese Frage: Wie kann ein Unternehmen, das sich in einem Marktumfeld bewegt, wie oben beschrieben, einen Gewinn erzielen bzw. seinen Gewinn steigern? Ich habe eigens noch einmal nachgeschlagen: In Simons Buch ist tatsächlich an keiner Stelle von Einkauf die Rede. Weder gibt es ein Kapitel "Die Bedeutung des Einkaufs", noch taucht das Wort "Einkauf" im Register auf. Interessant, nicht wahr?

Die wesentlichen Punkte, um in reifen Märkten seinen Profit zu verbessern, sind Simon zufolge übrigens:

1. Konzentration auf die Kernkompetenzen.

2. Stopp sämtlicher Leistungen und Angebote, die vom Markt nicht nachgefragt werden.

3. Aufgabe jeglicher Marktanteilsstrategie.

4. Keine Nachgiebigkeit gegenüber Kundenanforderungen (Rabatte).

5. Vermeidung von Konfrontation mit den Wettbewerbern.

Vielleicht war es ja mal so, dass der Gewinn im Einkauf lag. Aber Sie kennen vielleicht den Spruch "Die Erkenntnisse von heute sind die Irrtümer von morgen". Und heute ist die alte Kaufmannsweisheit wahrscheinlich einfach überholt und nicht mehr zeitgemäß. Das haben sich offenbar auch die Wissenschaftler Dietger Hahn und Lutz Kaufmann gedacht und den Satz an unsere Zeit angepasst. In der modernen Formulierung heißt er jetzt: "Im Beschaffungsmanagement liegt ein großer Hebel für den Unternehmenswert." Klingt schon besser, oder was meinen Sie?

Beste Grüße

Damian Sicking

Und hier die Antwort von Also-Geschäftsführer Michael Dressen.

Weitere Beiträge von Damian Sicking finden Sie im Speakers Corner auf heise resale. ()