Kolumne: Deutsche System- und Softwarehäuser für ausländische Investoren immer interessanter
Während die deutschen Unternehmen Osteuropa bisher fast ausschließlich als Absatzmarkt gesehen haben, kündigt nun erstmals ein großes polnisches IT-Unternehmen die Übernahme eines deutschen Software- und Systemhauses an. Das kann heiter werden.
Lieber SoftM-Chef Franz Wiesholler,
nach den Holländern (Imtech/Fritz & Macziol) kamen die Österreicher (Raiffeisen-IT/PC-Ware), und nach den Österreichern kommen die Polen. In der vergangenen Woche teilten Sie mit, dass der IT-Anbieter Comarch (3.000 Mitarbeiter, 154 Millionen Euro Umsatz) aus dem polnischen Krakau die Mehrheit am deutschen Software- und Systemhaus SoftM in München übernehmen will. Eine sehr interessante Entwicklung! Sicher gibt es wieder Stimmen, die den Ausverkauf der deutschen Unternehmen beklagen. Man kann es aber auch genau anders sehen: Wenn sich Firmen aus dem Ausland in deutsche IT-Unternehmen einkaufen, dann ist dies durchaus als Kompliment für die deutschen Firmen zu werten. So schlecht können sie nicht sein, sonst würde sich kein Investor für sie interessieren.
Dass sich mit Comarch nun erstmals ein großes polnisches Unternehmen an einem deutschen IT-Anbieter beteiligt, ist besonders interessant. Bisher haben wir Wessies Osteuropa ja fast ausschließlich als wachstumsstarken Absatzmarkt und Expansionsraum wahrgenommen. "Wir gehen ostwärts", das war bis heute die allgemeine Vorstellung hier bei uns. Dass osteuropäische Firmen jetzt deutsche Unternehmen kaufen, ist ein Gedanke, an die sich viele von uns erst noch gewöhnen müssen.
Nun also die Polen. Sicher haben Sie, lieber Herr Wiesholler, in den Begegnungen mit Ihren neuen polnischen Geschäftsfreunden und Kollegen bereits festgestellt, dass die Polen ein humorvolles Volk sind. Nein, haben Sie nicht? Dann geht es Ihnen wie vielen Deutschen. Der polnische Humor nämlich ist für den Deutschen häufig nicht zu erkennen, geschweige denn zu verstehen. Dafür braucht es viel Übung. Ich kann dies aus eigener Erfahrung sagen, denn ich bin mit einer Polin verheiratet, was unter Verstehensgesichtspunkten – 1. Frauen sind für uns Männer ja bekanntlich ohnehin nur sehr schwierig zu verstehen; 2. polnische Frauen erst recht – eine besondere Herausforderung darstellt.
Damit SoftM und Ihr zukünftiger Hauptaktionär Comarch die angestrebten gemeinsamen Ziele erreichen, ist das gegenseitige Verstehen natürlich extrem wichtig. Hier kann man auf beiden Seiten viele Fehler machen. Da Sie, lieber Herr Wiesholler, nur die eigenen Fehler und nicht die der anderen vermeiden können, hier ein kleiner Buchtipp für Sie und alle Unternehmen, die mit Polen gute Geschäfte machen wollen: "Viva Polonia" (S. Fischer Verlag, 5. Auflage 2008, 14,90 Euro). Geschrieben von einem Deutschen aus Wuppertal mit Namen Steffen Möller, der seit 1994 freiwillig in Polen lebt und dort nach Papst Benedikt zum zweitbekanntesten Deutschen avanciert ist. Das amüsant geschriebene Buch enthält viele wertvolle Tipps und Hintergrundinformationen zum Verständnis der polnischen Seele und für den täglichen Umgang.
Ich kann hier natürlich nicht auf alle wichtigen Aspekte eingehen, daher beschränke ich mich auf einen einzigen, der allerdings von besonderer Bedeutung ist, gerade im Geschäftsleben. Während wir Deutschen die größten Angeber und Aufschneider unter der Sonne sind (höchstens noch übertroffen von den Italienern), ist der Pole geprägt von einer tiefen Bescheidenheit. Der hierzulande sehr populäre Satz "Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommst du ohne ihr" ist in Polen unbekannt und der darin enthaltene Gedanke dem Polen völlig fremd. Der Pole an sich ist bescheiden, zumindest tut er so. Großkotzigkeit ist bäh. Das sollte man unbedingt bedenken, wenn man mit Polen Geschäfte machen will. Am besten also nicht mit dem 7er-BWM, dem S-Klasse-Mercedes oder dem Audi A8 bei der Comarch-Zentrale in Krakau vorfahren, sondern im gemieteten VW-Golf. Muss es dann doch mal die schwere Limousine sein, dann sollten Sie unbedingt darauf hinweisen, dass der Wagen schon 13 Jahre alt ist, mehr als 200.000 Kilometer auf dem Buckel hat und der fünfte Gang gerne rausspringt.
Und natürlich ganz wichtig: Erzählen Sie keine Polenwitze! Höchsten diesen: "Drei Geschäftsleute sitzen in einem Flugzeug, ein Russe, ein Tscheche und ein Pole. Plötzlich gerät die Maschine in Schwierigkeiten, und die Insassen müssen Ballast abwerfen. Der Russe wirft einen Klumpen Gold aus dem Fenster und sagt `Davon haben wir genug´. Der Tscheche wirft einen Klumpen Silber aus dem Fenster und sagt `Davon haben wir genug´. Der Pole wirft den Russen aus dem Fenster und sagt ..."
Beste Grüße
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