Smudo vs. Napster: "Da kommt mir die Galle hoch!"

Künstler, Phonoindustrie und ein Teil der Internetbranche versuchen das Internet für den legalen Vertrieb von Musik zu erschließen.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Lars Friebel
  • Christian Rabanus
  • dpa

Die Meinungen zu Themen wie Herunterladen, Kopieren oder Urheberrecht gehen weit auseinander: Für den Rapper Chuck D. von Public Enemy werden die großen Plattenfirmen von Anwälten und Buchhaltern betrieben, die sich "eine Dreck um den kreativen Prozess scheren". Deshalb vertreibt er seine Songs über das Internet. Smudo, Kopf der deutschen Hiphop-Formation Die Fantastischen Vier, kommt dagegen "die Galle hoch", wenn er an die illegalen Musikanbieter im Internet denkt, die – unterstützt durch Formationen wie Public Enemy – Songs einfach "klauen". Er schimpft, es gebe genug "Sozialromantiker", die Chuck D. und "seiner pseudo-anarchistischen Meinung" zujubeln.

Durch das Komprimierungsformat MP3 eröffnen sich der Übertragung von Musik im Internet völlig neue Möglichkeiten. MP3-komprimierte Songs können in sehr guter Qualität, bei geringem Speicherbedarf und akzeptabler Download-Zeit über das Netz verschickt werden. Dem Anbieter Napster ermöglicht dieses Format, einen Umschlagplatz im Internet zu betreiben, auf der die Fans ihre Musik untereinander tauschen können. Viele Künstler dagegen sehen in diesem Musiktausch einen illegalen Vertrieb ihrer Songs. Der Phonowirtschaft entstehen nach eigenen Angaben durch Systeme wie Napster oder Gnutella, eine im Gegensatz zu Napster dezentral organisierte Tauschbörse, Milliarden-Verluste. So bemühen sich in letzter Zeit die Musikbranche und ein Teil der Internetindustrie immer stärker darum, Sicherungen gegen die Musikpiraterie zu schaffen. So arbeitet beispielsweise die Secure Digital Music Initiative (SDMI) daran, Standards für ein kopiergeschütztes digitales Format für Musik-Dateien zu entwickeln.

Wunderbar findet Smudo da den Kampf von Metallica gegen die Internet-Tauschbörse Napster. Die Heavy-Metall-Band ließ auf gerichtlichem Wege die Accounts von über 300.000 Napster-Benutzern schließen, denen die Band vorwirft, unberechtigterweise Metallica-Songs getauscht zu haben. "Dass Metallica das nicht wegen des Geldes macht, sondern dass man sich künstlerisch betrogen fühlt, weil man nicht als blödes Sammelbildchen hin- und hergetauscht werden will, das will keiner transportieren. Nicht das Internet ist die Bedrohung, sondern das Dilemma, dass sich Musik momentan nicht wirksam schützen lässt."

Inzwischen üben die Internetbranche und die Musikbranche kurz vor der Popkomm 2000 vom 17. bis 19. August in Köln den gemeinsamen Schulterschluss. "AOL wird alles tun, um Musikpiraterie zu verfolgen", verspricht Klaus Täubrich, Vizepräsident von AOL Deutschland. "Wir verstehen das als Aufgabe einer erfolgreichen Partnerschaft." Die Kooperation bei der Abwehr der Piraterie sei das wichtigste Ziel, unterstreicht auch Martin Schaefer, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Phonographischen Wirtschaft. "Alles andere entsteht zwangsläufig." Er ist sich sicher, dass die zum legalen Musiktausch über das Internet notwendigen technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen schon in Kürze geschaffen sein werden. "Im Moment bahnt sich die große Wende an."

Mit den Internetprofis will die Musikindustrie ein attraktives legales Angebot bereitstellen. "Wenn wir dem Konsumenten Atmosphäre verkaufen, sind wir die ersten Ansprechpartner, nicht die Illegalen", glaubt Gerd Gebhard, Präsident des Geschäftsbereich Zentral- und Nord-Europa von Warner Music. Smudo ist da eher vorsichtig: "Ob das klappt, weiß keiner. Es ist schwer, darzustellen, dass legal cool ist." Das kostenlose Herunterladen des Lieblingssongs sei ein anarchistischer Schülerspaß und habe weniger mit krimineller Energie zu tun. Doch wenn der legale Markt gut gemacht sei, zahle auch der Fan gerne für den Service. "Es gibt dann wenig Anlass, sich auf einem schlecht gepflegten illegalen Markt aufzuhalten."

Den derzeit laut werdenden Vorwurf, dass die Branche die Entwicklung eventuell verschlafen habe, will Gebhard so nicht stehen lassen. "Wir spielen mit den Möglichkeiten und testen viele Sachen. Wenn es ernst wird, können wir loslegen." Aber er räumt auch ein: "Natürlich waren wir alle überrascht und haben vor allem die kriminelle Energie unterschätzt." Aber noch seien die kreative Leistung des Künstlern und der Ertrag nicht geschützt, meint Gebhard. "Weil die Dinge wie etwa das Kopieren möglich sind, glauben einige Leute, es sei legal."

Doch auch viele Künstler scheuen sich, gegen das illegale Kopieren vorzugehen. Sie fürchten, ihre Fans zu verprellen. "Es ist ein Imageproblem, wenn Du inmitten von Leuten stehst, die alle auf die 'Scheiß-Industrie' schimpfen", sagt Smudo. "Sie haben Angst, Fans zu verlieren." Entsetzt ist er aber über Künstler wie die US-Band Limp Bizkit, die sich ihre Tour von Napster sponsern lässt. "Die sind wirklich dumm. Sie machen etwas populär, was das entwertet, was ihnen letztendlich gehört." (Lars Friebel, dpa) (chr)