Dell will wieder einmal den Mittelstand erobern - wie vor elf Jahren schon

Seit 1998 (Hans-Jürgen Mammitzsch) schwadronieren die Dell-Manager in Deutschland in schöner Unregelmäßigkeit davon, dass sie nun den Angriff auf den Mittelstand starten. Jetzt wieder einer. Also alles wie immer? Nicht ganz.

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Von
  • Damian Sicking

Lieber Dell-Manager Joachim Ackermann,

was wäre Deutschland ohne seinen Mittelstand? Worüber würden die Politiker in ihren Sonntagsreden reden, wenn es den Mittelstand, die Stütze unserer Volkswirtschaft, nicht gäbe? Und was würden die IT-Hersteller ohne den Mittelstand machen? Welche Hoffnung hätten sie? Motto: Wenn gar nichts geht – Mittelstand geht immer.

Lieber Herr Ackermann, Sie sind als Vice President bei Dell zuständig für das Mittelstandsgeschäft und damit für den amerikanischen IT-Hersteller ein sehr wichtiger Mann. Denn wie Sie gerade in einem Zeitungsartikel erklärten, will Dell in den kommenden Monaten verstärkt das Geschäft mit dem unternehmerischen Mittelstand vorantreiben. Deutschland soll dabei im Zentrum der Anstrengungen stehen. Und dann noch ein bisschen Säbelrasseln, um der Konkurrenz Angst zu machen: In vier Jahren, kündigen Sie an, wird Dell Marktführer im deutschen Mittelstand sein.

Ein großes Ziel gelassen ausgesprochen, lieber Herr Ackermann. Die Frage allerdings, die mich am meisten interessiert, lautet: Warum ist Dell eigentlich noch nicht Marktführer im Mittelstand? Denn es ist ja nicht so, dass Sie jetzt den Mittelstand für Dell gerade erst entdeckt haben. Im Gegenteil. Dell Manager schwadronieren schon seit Jahren von ihrem Angriff auf den deutschen Mittelstand. Das erste Mal, dass nach meinen Recherchen ein Dell-Manager in Deutschland das Thema Mittelstand geritten hatte, war vor elf Jahren. Der damalige Deutschland-Chef Hans-Jürgen Mammitzsch erklärte bereits Mitte 1998, also vor immerhin elf Jahren, er wolle im Mittelstand richtig auf die Tube drücken. In den folgenden Jahren ploppte das Thema Mittelstand in den Erklärungen des Dell-Managements zur Zukunftsstrategie immer wieder auf. Zum Beispiel im Jahr 2003. Da sagte der damalige Dell-Geschäftsführer Mathias Schädel nicht nur, dass Dell in den kommenden drei bis vier Jahren (also bis spätestens 2008) die Marktführerschaft im deutschen PC-Markt übernehmen werde (eine zu optimistische Prognose, wie wir heute wissen; laut IDC lag Dell mit einem Marktanteil von 9,4 Prozent im vergangenen Jahr in Deutschland hinter Acer, HP und FSC auf Rang vier), sondern dass sich Dell Deutschland darüber hinaus in jenem Jahr ganz feste auf den Mittelstand konzentrieren werde.

Kurzum: Der Mittelstand ist für Dell überhaupt kein neues Thema. Insofern reihen Sie sich, lieber Herr Ackermann, zunächst einmal in die Reihe der ewigen Mittelstandsprediger von Dell ein. Im Prinzip also die gleiche Situation wie bei den Politikern, bei denen der Mittelstand ja fast nur in den öffentlichen Reden und Erklärungen, aber weniger in der praktischen Arbeit vorkommt.

Aber vielleicht gibt es doch einen Unterschied zwischen Ihrer Mittelstandsliebe und der Ihrer Vorredner. Ich meine Dells Paradigmenwechsel im Vertrieb. Inzwischen haben bei Ihnen ja ein paar Leute auch an der Spitze erkannt, dass man ohne tüchtige Vertriebspartner das Mittelstandsgeschäft vergessen kann. Jetzt haben Sie mit dem als Systemhaus bekannten Unternehmen IT-Haus (für Drucker) und dem Braunschweiger Distributor Devil (Notebooks) die ersten Distributoren in Deutschland autorisiert. Dabei kann es nicht bleiben, wenn Sie im Mittelstand was erreichen wollen (Marktführerschaft!). Dafür brauchen Sie mindestens einen der großen Broadliner. Und natürlich ein paar sehr gute Argumente, weshalb die Systemhäuser und IT-Händler mit Dell als Lieferanten zusammenarbeiten sollen.

Lieber Herr Ackermann, Sie sagten noch etwas Interessantes: "Wir wollen stärker als der Markt wachsen, gegebenenfalls auch gegen den allgemeinen Markttrend." Das klingt nach einer kompromisslosen marktanteilsorientierten Vermarktungsstrategie. Eine interessante Aussage. Interessant deshalb, weil man vor nicht langer Zeit von Dell-Managern völlig andere Töne hören konnte. Kein Geringerer als Michael Dell höchstpersönlich sagte vor einem guten halben Jahr: "Wenn wir die Wahl zwischen Gewinn und Wachstum haben, werden wir uns für Gewinn entscheiden." Das ist doch eindeutig ein Erklärung für eine ertragsorientierte Marktstrategie, oder nicht? Und jetzt sagen Sie bitte nicht, dass Sie den Stein der Weisen gefunden haben und wissen, wie man in einem Markt wie dem IT-Markt gleichzeitig Marktanteil und Gewinn steigern kann. Denn das glaubt Ihnen niemand.

Beste Grüße

Damian Sicking

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