Das Bastel-Handy

Ein Start-up aus Israel hat ein modulares Mobiltelefon entwickelt, das sich durch das Einstecken in andere Geräte zur Multimediaplattform mausert.

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Von
  • Kate Greene

Wenn man ein Mobiltelefon auf das Wesentliche reduziert, dürfte es wohl so aussehen wie das Modu. Das kleine Handy, das kaum größer ist als ein Dominostein, bietet die Möglichkeit, Telefonate zu führen und per SMS zu kommunizieren. Hinzu kommen noch eine Kontaktliste und ein wenig MP3-Musik in einem bis zu 16 Gigabyte großen Speicher. Bedient wird das Gerät über einen kleinen, aber dennoch nutzbaren Bildschirm und ein karges Tastenfeld ohne Ziffern. Schon in dieser Variante kann man mit dem Modu als einfaches Telefon eigentlich prima leben. Aber das ist eben nicht alles: Über so genannte "Jackets", Geräte, in die man das Handy einstecken kann, lassen sich verschiedene Zusatzfunktionen nachrüsten.

Modu Mobile, das israelische Start-up hinter der Idee, hofft, dass die Kundschaft ihr Verhältnis zu mobiler Elektronik dank dieser neu gewonnenen Modularität überdenkt, wie Technikchef Itay Sherman sagt. Derzeit besäßen die meisten Kunden nur ein Gerät, das sie ständig verwendeten. Nach ein, zwei Jahren werde es erst durch ein neues Modell ersetzt, weil ein früherer Wechsel zu teuer sei. Doch die aktuelle Marktsituation, ein Handy für alle Gelegenheiten zu verwenden, passe nicht mehr zum modernen Lebensstil, sagt Sherman. Manchmal wolle man mit dem kleinstmöglichen Gerät herumlaufen, manchmal benötige man hingegen ein Kommunikationsgerät mit vernünftiger Tastatur oder einen Medienabspieler mit großem Bildschirm. "Statt ständig ein neues Handy zu kaufen, ermöglichen unsere Jackets diesen Wechsel sofort."

Bei der Herstellung des Modu musste man einige Kompromisse eingehen. Während die Chiptechnik bereits so weit ist, dass die notwendigen Schaltungen klein genug sind, um in ein solches Mini-Handy zu passen, mussten andere Bauteile wie der Bildschirm, die Tastatur und die Batterie geschrumpft werden. Das Display wurde speziell entworfen: Es nutzt die stromsparende OLED-Technik und ist nur einen Millimeter dick. Weil sich die Firma schnell bewusst wurde, dass ein vollständiges Keypad samt Nummerntasten in dieser Größe unpraktisch ist, entschied sich das Entwicklungsteam für ein simplifiziertes Tastenfeld samt passender Menüführung, die an MP3-Spieler erinnert. Die Lithium-Ionen-Polymer-Batterie, die technisch herkömmlichen Handyakkus ähnelt, wurde ebenfalls angepasst - sie ist dünner und länglicher und kann trotzdem drei Stunden Gesprächszeit und 100 Stunden Stand-by leisten.

Sobald der Nutzer das Modu in eines der Jackets steckt, verbessert sich sofort der Funktionsumfang. "Das Jacket kann ebenfalls eine Batterie enthalten", sagt Sherman. Dann teilten die kombinierten Geräte die Last zwischen zwei Akkus auf. "Das erweitert Gesprächs- und Stand-by-Zeit."

Eine der Hauptinnovationen sei aber die Software, die das Modu automatisch neu konfiguriere, wenn es in ein anderes Gerät eingesteckt wird. Eine Ressourcen-Datei definiert dabei, wie Modu und Jacket miteinander arbeiten. "Jedes Jacket bietet eine ganz neue Nutzererfahrung, doch die grundlegende Menüführung bleibt gleich, so dass sich der Nutzer nicht umgewöhnen muss."

Neben Handy-spezifischen Jackets will Modu Mobile auch Unterhaltungselektronik anbieten, in die das Gerät eingesteckt werden kann. Dazu gehört eine Kamera, mit der das Modu Bilder drahtlos an andere Handys übermitteln kann oder ein Unterhaltungssystem fürs Auto, das den Zugriff auf die MP3-Sammlung im Handy ermöglicht und eine Freisprecheinrichtung mitbringt.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Industrie versucht, modulare Handys zu schaffen. Avi Greengart, Forschungsdirektor für den Handy-Bereich beim Marktforscher Current Analysis, erinnert sich etwa an eine Firma namens IXI Mobile, den Hersteller des mobilen Messenger-Gerätes "Ogo": "Dabei wurden mehrere Bestandteile über Bluetooth miteinander verbunden." Ein grundlegendes Speichermodul wurde so beispielsweise mit einem größeren Bildschirm oder einem Medienabspieler kombiniert. Durchgesetzt hat sich Ogo allerdings nie. Greengart glaubt, dass das vor allem daran lag, dass niemand nur einen abgespeckten Musikspieler wollte, den man dann nur durch den Kauf von anderen Geräten wirklich zum Leben erwecken konnte.

Greengart ist dementsprechend skeptisch, dass Modu bestehen kann. "Auf dem Papier erscheint das vielleicht sinnvoll, doch in der Vergangenheit ist fast jeder Versuch, modulare Geräte zu schaffen, daneben gegangen." Die Hersteller verstünden nicht, wie die Kunden Produkte kauften. Damit sich ein Markterfolg ergibt, müsste sich deren Verhalten schon deutlich verändern, meint Greengart. "Kunden kaufen nicht gleichzeitig mehrere Module oder wissen bereits von Anfang an, dass sie später welche nachkaufen wollen."

Modu Mobile hofft, diesem alten Trend zu entgehen. Die Kundschaft soll stets an Jackets und das Basishandy gleichzeitig denken. "Wir wollen dem Markt klarmachen, welche Flexibilität und welche Angebote es überhaupt gibt", meint Sherman. Die ersten Produkte mit dem Modu Mobile-Logo soll es im Oktober in Italien, Russland und Israel geben. Das erste Paket, das aus dem Basishandy und zwei Jackets besteht, soll 200 Euro kosten - eine Summe, die von den Netzbetreibern auch noch subventioniert wird. 2009 sollen dann Partner im restlichen Europa und in den USA gefunden sein.

Greengart sieht durch die Verträge mit wichtigen Netzbetreibern in den drei Startländern immerhin eine erste Hürde genommen. "Oftmals ist die große Herausforderung ja die, die Geräte überhaupt vor den Kunden zu bekommen. Modu hat Carrier in Israel, Italien und Russland. Wir werden sehen, wie viel Gewicht sie dem Gerät beimessen."

Das Modu sei eine "etwas andere" Idee - und die Industrie könne durchaus mehr von derartigen Innovationen gebrauchen. Doch ob ein solches Gerät sich gegen populäre Smartphones wie Apples iPhone durchsetzen werde, sei eine andere Frage. "Ich will hier ja nicht mit Klischees kommen, aber keines dieser Jackets macht aus dem Modu plötzlich ein Apple-Handy", sagt Greengart. (bsc)