Bild für Bild gestickt: Der Animationsfilm, der aus Mathematica kam

Die Bilder für Stop-Trick-Filme kann man einzeln zeichnen oder man verändert Szenen aus Knete von Frame zu Frame. Nina Paley und Theodore Gray animieren anders: Sie werfen die Stickmaschine an.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 19 Kommentare lesen
Animationsfilm – gestickt

"Da kam der Todesengel und schächtete den Schochet ..." – Szene aus dem gestickten Animationsfilm zum aramäischen Volkslied Chad gadja.

Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Peter König

In anderthalbjähriger Arbeit haben die Künstlerin Nina Paley und das Multitalent Theodore Gray, einer der Mitbegründer von Wolfram Research, einen kurzen Animationsfilm gestickt. Der illustriert den Text von Chad Gadja, einem aramäischen Volkslied, das am Vorabend des Pessach-Festes gesungen wird und in dem es ordentlich zur Sache geht: Die Katze frisst das Lämmchen, der Hund die Katze, der Hund wird von einem Stock versohlt, der dem Feuer zum Opfer fällt ... Bis zum Schluss der Heilige den Todesengel schächtet, sind eine Menge Stationen zu durchlaufen – Paley und Grey haben sie alle auf der Maschine gestickt, Bild für Bild, und in Stop-Motion-Technik in einem Film scheinbar zum Leben erweckt.

Die Vorlage für das Lämmchen: Der Stickplan wurde in der Software Mathematica erzeugt.

(Bild: http://home.theodoregray.com)

Insgesamt wurden 516 unterschiedliche Bilder für den Film gestickt, der mit 12 Bildern pro Sekunde abläuft und mit zahlreichen Wiederholungen arbeitet. Jedes der bestickten quadratischen Tücher enthält sechs Phasen der Animation einer oderer mehrerer Figuren, die einzeln nacheinander in Nahaufnahme abgelichtet werden und einen Bewegungszyklus bilden, beispielsweise einen Schritt oder einen Sprung.

Und so sieht das gestickte Ergebnis aus.

(Bild: http://home.theodoregray.com)

Wie Gray in einem Blogpost erklärt, spielt die für die Produktion benutzte technisch-wissenschaftliche Software Mathematica eine Schlüsselrolle für die ruhige Wirkung der Animation: Nachdem Nina Paley die Figuren in Flash entworfen und animiert hat, wurden sie als Vektor-Regionen in Mathematica importiert und dort mit einem Stichmuster gefüllt, das sich sauber senkrecht zur jeweils längsten Mittellinie jeder einzelnen Form zieht. In der Folge, schreibt Gray, wirkten die Tiere tatsächlich wie eine bewegte Stickerei, statt wie das "Sammelsurium einzelner Figuren", das andere Software für Stickmaschinen produziere. Klar, Gray und Paley mag es ein wenig gewurmt haben, dass während ihrer Arbeit an Chad Gadja andere Stickfilme ans Licht des Internets traten, etwa das Musikvideo zum Titel Tharsis Sleeps der Band Throne. In dem ist allerdings in der Tat zu erkennen, was Gray meint: Die gestickten Flächen scheinen zwischen den Frames zu flimmern:

Die gestickte Animation Chad Gadja soll eine Übergangssequenz im geplanten Film namens Seder Masochism bilden, an dem Nina Paley gerade arbeitet. Alle Vorlagen wurden unter einer Creative-Commons-Lizenz (Attribution-Share Alike 3.0) im PES-Dateiformat für Stickmaschinen veröffentlicht. Die originalen gestickten Vorlagen für den Film bieten Paley und Grey zum Verkauf an; die Preise liegen zwischen 150 und 300 US-Dollar pro Stück. (pek)