Das ganz große Online-Spiel

GameLayers will aus dem gesamten Web ein riesiges Multiplayer-Game machen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Erica Naone
Inhaltsverzeichnis

Merci Victoria Grace, Kreativchefin und Mitbegründerin des Start-ups GameLayers aus San Francisco, hat eine Vision. Um das Surfen im Netz zu einer sozialeren und fröhlicheren Angelegenheit zu machen, will sie aus der ganz gewöhnlichen Browsernutzung ein riesiges Online-Spiel machen: Teilnehmer bekommen Punkte dafür, wenn sie bestimmte Angebote besuchen, themenbasierte Missionen kreieren, die andere Spieler durch das Netz führen oder Notizen für die Gemeinschaft hinterlassen. Sichtbar ist das alles jeweils nur für Mitspieler, bei allen anderen Nutzern erscheint nur die gewöhnliche Seite. Nur mit der speziellen GameLayer-Software wird diese Zusatzschicht erkennbar.

Das Start-up nennt den Ansatz "PMOG", was für "passives Multiplayer-Onlinespiel" steht. "Wir schichten etwas Spielerisches auf das, was bereits da ist", erläutert Firmenchef und Mitbegründer Justin Hall, ein bekannter Internet- und Weblogpionier. "Das Modell für unser Spiel geht davon aus, dass die Nutzer jederzeit dazu stoßen können", sagt er. Wie bei anderen großen Multiplayer-Games auch entführt das PMOG den Spieler in eine einzige, riesige Welt, die er mit den Mitspielern teilt. Nur das es hier um das gesamte Internet geht, 24 Stunden am Tag. Spieler können zwar mit der Zeit neue Werkzeuge und Fähigkeiten erwerben, doch ein Ende des Spiels gibt es nicht.

Um teilzunehmen, lädt sich der Spieler zuerst ein Toolbar-Programm herunter. Einmal eingeloggt, überwacht die Software das Surfverhalten und vergibt Punkte für jede eindeutige URl, die in 24 Stunden besucht wurde. Dann können die Mitspieler selbst so genannte Missionen schaffen oder an ihnen teilnehmen. Beispielsweise kann ein PMOG-Spieler die Homepage des nächsten "Batman"-Streifens "Dark Knight" besuchen, nur um ein Pop-up vorzufinden, über das ihn ein anderer Spieler einlädt, mehr über die Geschichte der Comic-Figur zu erfahren. Nimmt er die Mission an, erscheinen weitere Fenster, die ihn zu Seiten führen, auf denen man alte Titelblätter von Batman-Alben sehen kann, Wissenswertes über die Batman-TV-Serien erfährt oder Informationen über den Dreh des Films erhalten kann. Jede einzelne Seite enthält wiederum Pop-up-Fenster mit Notizen desjenigen, der die Mission zusammengestellt hat – beispielsweise mit Zusatzinformationen, einer Geschichte oder einem Rätsel.

Währenddessen können Nutzer per Instant Messenger miteinander kommunizieren, Tipps austauschen, Geschenke verteilen (Links, Punkte und andere Spielmerkmale) oder kleine Bomben zünden, die das Browser-Fenster des (Gegen-)Spielers kurzzeitig verkleinert (was allerdings harmlos ist). "Es ist wie als wenn IM-Kommunikation auf den Social-Networking-Dienst del.icio.us und das Online-Lexikon Wikipedia trifft", meint Joichi Ito, Aufsichtsratsmitglied der Mozilla-Stiftung und Risikokapitalgeber, der in GameLayers investiert hat. "Ich denke, dass sich immer mehr Menschen dafür interessieren, auch in banalen Dingen das Spielerische zu suchen. Purismus war gestern."

"Das ist ein Videospiel, das so gestaltet wurde, dass es in den Alltag passt", meint Alice Robison, Forscherin am Institut für vergleichende Medienwissenschaften des MIT. "Die Grenzen zwischen Spiel und echtem Leben verwischen." Das Game sei so strukturiert, dass die Spieler Punkte und Werkzeuge bekämen, je nachdem, wie sie sich online verhielten. Einen Spielcharakter müsse man sich nicht zusammenbasteln. "Das Punktesystem zwingt einen dazu, so zu sein, wie man ist."

Laut Hall experimentiert GameLayers derzeit mit verschiedenen Geschäftsmodellen. Vorstellbar sei beispielsweise, dass man Missionen aufbaue, die von Sponsoren finanziert würden. Obwohl die Details noch nicht in Stein gemeißelt sind, sei etwa eine eigene Kategorie mit gesponserten Missionen vorstellbar, die die Spieler absolvieren könnten. Dafür bekäme man dann Bonus-Punkte.

Egal mit was GameLayers auch Geld verdienen wird, die Nutzerdaten will man nicht missbrauchen. "Die User vertrauen uns ihre persönliche Surfgeschichte an, sie geben uns Zugang zu ihrem Bildschirm. Wir denken deshalb an eine totale Opt-in-Lösung, bei der die Nutzer jedem relevanten Vorgang zustimmen müssen." Hall glaubt beispielsweise, dass sich bestimmte Filme gut im PMOG bewerben ließen. Ähnliche Spiele seien auch für Mobiltelefone denkbar. Und viele Daten im Web böten sich dafür an, sie spielerisch umzusetzen.