Der Käfer-Code

Forscher haben die DNA des roten Mehlkäfers entschlüsselt und erhoffen sich nun neue Bekämpfungsmethoden gegen die Landplage.

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Von
  • Anna Davison

Der rote Mehlkäfer, eine weltweit vorkommende Plage in Mühlen, Mehlsilos und Küchen, ist das vierte Insekt und der erste bedeutende Agrarschädling, dessen Genom die Forschung sequenziert hat. Die Arbeit soll der Wissenschaft ein besseres Verständnis für die Biologie des Insekts, seine Entwicklung und Evolution liefern – inklusive neuer Methoden, gegen den gefräßigen Schädling vorzugehen. "Vielleicht könnten wir künftig Insektizide schaffen, die selektiver vorgehen", meint Projektleiter Stephen Richards, Juniorprofessor des "Human Genome Sequencing Center" am Baylor College of Medicine.

Der oft anzutreffende Schädling Tribolium castaneum wurde bislang an jedem Ort der Erde entdeckt, an dem Menschen leben und Getreide lagern, sagt Richard Beeman, wissenschaftlicher Entomologe beim US-Agrarministerium, der am Entschlüsselungsprojekt mitgearbeitet hat. Wirklich effiziente Bekämpfungsmethoden existierten auch deshalb nicht, weil die Käfer schnell Resistenzen zu allen wirksamen Chemikalien aufgebaut haben, die sie eigentlich töten sollten.

Viele Insekten habe die Fähigkeit entwickelt, Gifte zu etwas Harmloserem zu verstoffwechseln – sowohl die natürlich von Pflanzen produzierten als auch Insektizide zur Schädlingskontrolle. Doch lässt sich in vielen Fällen kaum sagen, wie ihnen das gelingt, erläutert Barry Pittendrigh, Dozent an der Fakultät für Entomologie der Purdue University. Sequenzierungsprojekte könnten hier einspringen. Im Fall des Mehlkäfers entdeckten die Forscher beispielsweise Enzyme, die den Tieren helfen, verschiedene Insektizide abzubauen.

Auch neue Schädlingsbekämpfungsansätze sollen so erforscht werden. Gene, die wichtige Vitalprozesse wie die Verdauung oder den Aufbau des Hautpanzers der Insekten steuern, könnten direkt angegangen werden. "Das ist eine unserer großen Hoffnungen innerhalb des Projektes", sagt Beeman. Bereits entdeckt wurden über 100 Gene, die wichtig bei der Synthese des harten aber flexiblen Exoskeletts der Käfer sind. "Das ergibt eine Menge möglicher Angriffspunkte", meint Beeman. Erkenntnisse über den Aufbau des Panzers könnten eines Tages auch für die Materialwissenschaften verwendet werden: "Man stelle sich nur einen Football-Helm aus Insektenchitin vor."

Die Sequenzierung, die zwischen drei und vier Millionen Dollar kostet, ist Teil eines Großprojektes zur Analyse des Gencodes von Modellorganismen, um ihre Biologie besser zu verstehen. Auch Rückschlüsse auf die menschliche DNA sind so möglich. Der rote Mehlkäfer ist der erste Käfer, dessen Genom komplett sequenziert wurde, die einzigen anderen Insekten, denen diese Ehre zu Teil wurde, sind Fluchtfliege, Honigbiene und die Malariamücke.

Beim Mehlkäfer-Projekt wurde die vorhandene, durchsatzstarke Sequenzierungstechnik am Baylor College of Medicine verwendet. 16.000 Gene wurden so zusammengetragen – für ein Insekt ein eher kleines Genom. Manuell analysiert wurden außerdem rund 2000 Käfer-Gene, vor allem solche, die für Entwicklung und Insektizidresistenz verantwortlich sein könnten.

Der Käfer ist ein ideales Forschungsobjekt, weil er sich leicht züchten lässt und der RNA-Interferenz zugänglich ist, mit der sich einzelne Gene abschalten lassen. "Wir können dann die Frage beantworten, wie ein Mehlkäfer aussieht, bei dem dieses oder jenes Gen nicht mehr funktioniert", sagt Richards.

So wurden erste Anhaltspunkte entdeckt, die die Fähigkeit der Tiere erklären könnten, unter sehr trockenen Bedingungen bis hinunter auf zehn Prozent Luftfeuchtigkeit zu überleben, wie sie in Getreidelagern existieren. Es wurde das Gen für den Rezeptor des antidiuretischen Hormons gefunden, das die Wassereinlagerung steuert. Es ist das erste Mal, dass ein solches Gen in einem sequenzierten Insekt entdeckt wurde. Das Gen teilt im Übrigen die gleiche Herkunftsgeschichte wie die des antidiuretischen Hormons beim Menschen. (bsc)