Computerhandschuh für das Militär

Ein neues Steuergerät erlaubt es Soldaten, tragbare Computer zu bedienen, während sie gleichzeitig ihre Waffe halten.

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Von
  • Brittany Sauser

Einige US-Soldaten in Irak sind bereits mit tragbaren Computersystemen ausgerüstet. Ineffiziente Eingabesysteme begrenzen ihre Benutzbarkeit allerdings nur auf relativ sichere Umgebungen, etwa innerhalb von Militärfahrzeugen oder Basisstationen, wo der Soldat seine Waffe ablegen und die am Körper befestigten Eingabegeräte Maus und Tastatur nutzen kann. RallyPoint, ein Start-up aus dem amerikanischen Cambridge, hat nun einen mit Sensoren ausgestatteten Handschuh entwickelt, mit dem die Soldaten unter anderem digitales Kartenmaterial und Kommunikationsfunktionen nutzen können, ohne dass sie ihre Hand von der Waffe nehmen müssten.

Für Soldaten, die viel Ausrüstung mit sich herumtragen, kann die Benutzung elektronischer Systeme, die sich am Körper befinden, ein echtes logistisches Problem werden, meint Forrest Liau, Präsident und Mitbegründer von RallyPoint. "Wir wollten ein Gerät schaffen, das all die notwendigen Komponenten besitzt und trotzdem Kampfbereitschaft gewährleistet." Das Armeezentrum Natick Soldier Systems Center hat inzwischen einen Vertrag mit RallyPoint geschlossen und testet derzeit einen Prototypen des Handschuhs.

Die Idee hinter der so genannten "Handwear Computer Input Device" (HCID) ist nicht völlig neu. Forscher am MIT, an der University of Toronto und am Georgia Institute of Technology haben bereits an Systemen gearbeitet, die Hand- und Armbewegungen mit Hilfe von Beschleunigungsmessern, Kreiselsensoren und anderen High-Tech-Komponenten erkennen können. Die meisten dieser Experimentalgeräte arbeiteten jedoch noch nicht verlässlich und seien nicht robust genug, wie Gerd Kortuem, Experte an der Lancaster University in England, meint. Microsoft und Sony hätten ebenfalls an der Gestenerkennung und tragbaren Maustechnologien gearbeitet, doch ihre Forschung sei bislang noch ohne wirkliches Ergebnis. RallyPoint habe nun ein "sehr cleveres Design" geschaffen, meint Kortuem. Die Firma habe ein praktikables System gebaut, weil sie sich auf eine Zielgruppe konzentriere – das Militär.

Ein typisches tragbares Computersystem besteht aus einem Display am Helm und einer Hardware, die die Soldaten um ihren Bauch tragen. RallyPoint hat seinen Handschuh nun so entwickelt, dass Soldaten auch andere Objekte greifen können, etwa Waffen oder ein Lenkrad – und gleichzeitig dennoch elektronische Systeme bedienen können. Der Handschuh hat dazu vier eigens entwickelte Knopfsensoren, die in die Fingerstücke eingenäht sind. Sensoren in den Spitzen von Mittel- und Ringfinger aktivieren den Funkkontakt mit der Basis oder anderen Soldaten, jeder Finger schaltet einen anderen Kanal. Ein weiterer Sensor im unteren Bereich des Zeigefingers schaltet die Grundmodi um – von der Kartenansicht zum Mausmodus, beispielsweise. In der Kartenansicht wird der vierte Sensor, der sich am kleinen Finger befindet, zum Zoomen in der Karte verwendet, im Mausmodus dient er als Auslöseknopf.

Ebenfalls in die Polsterung des Mittelfingers des Handschuhs ist eine "Überallmaus" eingenäht, die über die angelegten Kräfte funktioniert und wie ein Trackpad nutzbar ist. "Wenn der Soldat seitlich auf seine Waffe drückt, seinen Finger an eine Wand oder eine andere harte Oberfläche legt und den Finger dann bewegt, kann er Dinge auf dem Bildschirm manipulieren", erläutert Liau.

Drei Beschleunigungsmesser sind außerdem in die Rückseite des Handschuhs eingenäht, um Ausrichtung und Position der Hand zu messen. Damit ist es möglich, konventionelle Handsignale, die lange Zeit ein wichtiges Kommunikationsmittel auf jedem Schlachtfeld waren, zum Absenden von Textkommandos auf die Bildschirme anderer Truppenteile zu nutzen. Ein Minicomputer, der im Handschuh eingebaut ist, wird dazu über eine USB-Leitung mit dem tragbaren Hauptrechner des Soldaten verbunden.

Thad Starner, Dozent für Computertechnik am Georgia Institute of Technology und einer der Pioniere im Bereich tragbarer Rechentechnik (er selbst trägt sie bereits seit 1993), sieht die wahre Innovation von RallyPoint darin, dass die Sensoren leicht genug sind, dass man sie im Militäreinsatz nutzen und in Handschuhe einnähen kann.

Das Problem der meisten neuen Armeetechnologien sei, dass die Leute zu viel auf einmal versuchten, meint Starner. "Land Warrior", ein tragbarer Rechner, der im letzten Jahr für die US-Armee entwickelt wurde, enthielt zahlreiche Kabel, Batterien und eine Hardware, die insgesamt über acht Kilo auf die Waage brachte. "Das war in Sachen Funktionsumfang einfach Overkill. Das Militär hat das System dann auf das Notwendigste reduziert", sagt Starner. "Die Soldaten passten den Rechner ihren Bedürfnissen an."

Starner glaubt, dass RallyPoint mit der Integration neuer Sensoren wie der Trackpad-ähnliche Maus nun etwas Neues geschaffen habe. Der nächste Schritt sei, die Sensoren drahtlos zu machen und sie so zu gestalten, dass die Soldaten weiterhin ein taktiles Feedback an ihren Fingern spürten. Es sei wirklich an der Zeit gewesen, etwas Nutzbares zu schaffen. "Das scheint RallyPoint gelungen zu sein", meint Kortuem. (bsc)