Multitouch-Display für Open-Source-Bastler

New Yorker Medienkünstler haben eine Bauanleitung für einen kostengünstigen berührungsempfindlichen Bildschirm mit Gestensteuerung veröffentlicht. Im Internet wird die Idee weiterentwickelt.

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Von
  • Kate Greene

Das iPhone machte das Konzept berührungsempfindlicher Bildschirme bekannt, die sich mit mehreren Fingern gleichzeitig steuern lassen. Auch beim Softwarekonzern Microsoft arbeitet man an ähnlichen Ideen aus dem Bereich "Multitouch": Mit dem Projekt "Surface", einem mit zwei Händen steuerbaren Computertisch zum leider noch nicht endkundenkompatiblen Preis von 10.000 Dollar.

Medienkünstler am New Yorker Kunst- und Technologiezentrum Eyebeam haben nun eine einfachere Version von Surface entwickelt, die sie als Open-Source-Projekt im Internet veröffentlichen. Das Vorhaben namens Cubit setzt auf Offenheit sowohl bei der Hardware- als auch bei der Software-Seite: Der Quellcode ist ebenso verfügbar wie eine genaue Bauanleitung samt Einkaufsliste. Die Kosten für einen Multitouch-Tisch sollen sich so deutlich reduzieren. Gleichzeitig will Eyebeam Entwickler in aller Welt ins Boot holen, um auf der offenen Plattform neuartige Anwendungen für die berührungsempfindliche Oberflächen zu schaffen, die es bislang noch nicht gab.

Addie Wagenknecht, Fellow bei Eyebeam, schuf Cubit, "um Multitouch zu entmystifizieren". Sie und ihr Mitstreiter Stefan Hechenberger wollten beweisen, dass jeder Nutzer mit einigen simplen Komponenten ein solches Gerät bauen könne, sagt sie. Neben der Verfügbarmachung der Software im Internet verkauft Wagenknecht auch Do-it-yourself-Kits für Leute mit etwas technischem Know-how. Zusammengenommen soll ein persönlicher Multitouch-Tisch so nur noch zwischen 500 und 1000 Dollar kosten, je nachdem, wie leistungsstark die verwendete Hardware ist.

Multitouch-Bildschirme sind keine wirklich neue Technologie – sie werden in Forschungslabors schon seit Jahrzehnten fortentwickelt. Die Mitsubishi Electric Research Labs schufen so beispielsweise den Unterhaltungstisch DiamondTouch, während Forscher Jeff Han, Gründer des Start-ups Perceptive Pixel, noch vor Apples iPhone wandgroße Multitouch-Bildschirme entwickelte, die er an Firmen und große Regierungsorganisationen verkauft. Der Unterschied zu früher: Aufgrund fallender Kosten vieler Touchscreen-Komponenten wie infraroten Lichtquellen oder den notwendigen kleinen Kameras und Projektoren ist es inzwischen möglich, dass auch Menschen ohne Laborausstattung und Risikokapital ihre eigenen Geräte bauen können.

Microsofts Surface-Modell besitzt einen Bildprojektor, Infrarotlichtquellen und insgesamt fünf Kameras, die im Fuß stecken. Sowohl der Projektor als auch die Infrarotquellen leuchten von unten auf die Tischplatte, erläutert Kyle Warnick, Marketingmanager bei Microsoft. Kommt ein Objekt wie ein Finger oder ein Handy in Kontakt mit der Oberfläche, reflektiert es das infrarote Licht auf eine charakteristische Weise, die dann von den Kameras ermittelt wird. Aktuell hat Microsoft keine Pläne, seine Plattform für Entwickler zu öffnen, weder in Sachen Hardware noch Software, verkauft sie aber an vereinzelte Retail-Ketten.

Wagenknechts System arbeitet ähnlich wie Surface. Cubit ist ein kistenartiger Tisch mit einer durchsichtigen Oberfläche. Eine einzige Kamera im Tisch, eine einfache Webcam mit Infrarotfilter reicht aus, wird dabei mit einem kleinen Bildprojektor kombiniert, den es bereits ab 300 Dollar zu kaufen gibt. Der Nutzer muss dann nur noch die Kamera in den Computer einstecken, die Cubit-Software aus dem Internet installieren, den Projektor anschließen und Bilder auf die Oberfläche projizieren. In Wagenknechts Kit steckt außerdem noch eine Tischabdeckung, die über eine Beschichtung verfügt, die es für die Kamera leichter macht, Objekte zu erkennen. Ebenfalls enthalten sind Infrarot-LED-Streifen, die auf die Rückseite der Oberfläche platziert werden.

Cubit wurde Anfang Mai auf der "Maker Faire" im kalifornischen San Mateo gezeigt, einem Treffen für "Do-it-yourself-Geeks", Künstler und andere aktive Rechnernutzer. Andere Open-Source-Multitouch-Vorhaben wurden dort ebenfalls gezeigt. Ein Team unabhängiger Ingenieure demonstrierte einen Multitouch-Tisch (Video), dessen Design dem von Jeff Hans Displays ähnelte. Bei diesem System wird das infrarote Licht, das von den Kameras eingefangen wird, von den Seiten auf den Schirm geleitet und verteilt sich dann dort. Es bleibt "gefangen", bis Berührungen dafür sorgen, dass es streut. Johnny Lee, ein Master-Student an der Carnegie Mellon University, war ebenfalls auf der Maker Faire vor Ort. Er zeigte, wie man aus der Infrarotkamera im Controller der Nintendo-Wii-Spielekonsole für unter 50 Dollar eine interaktive Wandtafel machen kann.

Tim O'Reilly, Gründer des O'Reilly-Verlags, der die Maker Faire ausrichtet und Magazine zum Thema wie "Make" und "Craft" verlegt, glaubt, dass Projekte wie Cubit zwei wichtige Trends in der Technologiebranche illustrierten. So sorgten die fallenden Hardware-Preise erstens dafür, dass Amateure mit Hochtechnologie spielen könnten, ohne sich dafür verschulden zu müssen. Außerdem nehme zweitens das Internet eine wichtige Rolle ein: Bastler könnten sich hier austauschen und dank spezieller Websites und Wikis schnell Informationen verbreiten, Probleme lösen und gemeinsam interessante neue Arbeiten verwirklichen.

Traditionell habe sich die Open-Source-Gemeinde bislang auf Software konzentriert, meint O'Reilly, doch in den letzten Jahren sei auch das Interesse an Hardware gewachsen, zu der immer mehr Informationen gesammelt und offengelegt würden. "Wir sehen heute, wie Hacker sich mit der Welt der Dinge beschäftigen, ähnlich wie sie sich früher in der Welt der Software tummelten." Dem Innovationsgrad tue das nur gut, meint er: "Je mehr Menschen am Aufbau und der Verbesserung neuer Technologien beteiligt seien, desto besser." (bsc)