E-Antrieb fürs Hirn

Tiefenhirnstimulation scheint die geistige Leistungsfähigkeit des Gehirns bei neurologischen Leiden zu verbessern. Nun wollen erste Mediziner damit auch Gesunde intelligenter machen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1 Kommentar lesen
Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Kristin Raabe

Tiefenhirnstimulation scheint die geistige Leistungsfähigkeit des Gehirns bei neurologischen Leiden zu verbessern. Nun wollen erste Mediziner damit auch Gesunde intelligenter machen.

Als der Düsseldorfer Neurologe Lars Wojtecki die Testergebnisse seiner hirngeschädigten Patienten begutachtete, traute er seinen Augen nicht. „Sie hatten besser abgeschnitten als die Gesunden in der Kontrollgruppe.“ Die Patienten litten an Chorea Huntington, einer Erkrankung, die nach und nach Nervenzellen in einem Teil des Zwischenhirns zerstört. Die Folge sind schwere Bewegungsstörungen und eine fortschreitende Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit. Es schien also undenkbar, dass diese Patienten irgendeine Aufgabe besser lösen könnten als Gesunde. Genau das aber gelang ihnen. Möglich gemacht hatte dies die sogenannte tiefe Hirnstimulation, bei der Neurochirurgen Elektroden zu genau definierten Zielen ins Gehirn einführen. Denn Nervenzellen kommunizieren durch elektrische Signale, entsprechende Impulse an der richtigen Stelle können daher die Aktivität des erkrankten Hirnareals beeinflussen. Bei Parkinson-Patienten setzen Mediziner diese Therapiemethode schon seit Jahrzehnten erfolgreich ein, um das für die Krankheit typische Zittern zu unterdrücken (siehe TR 4/2008, S. 90).

Doch jetzt wollen Mediziner mithilfe der Elektrodenimpulse auch Defizite in der geistigen Leistungsfähigkeit ausgleichen. Denn erste Ergebnisse aus Pilotstudien weisen darauf hin, dass die Behandlung bei schweren neurologischen Erkrankungen eben nicht nur den körperlichen Verfall bremsen kann, sondern auch den kognitiven. Nun sind mehrere größere Studien mit der Tiefenhirnstimulation geplant.

Lars Wojtecki peilte bei der Behandlung seiner Huntington-Patienten das sogenannte Innere Pallidum an, einen etwa bohnengroßen Knotenpunkt im Zwischenhirn. Er wusste, dass sich damit vor allem die Bewegungsstörung der Patienten behandeln lässt: große unwillkürliche Bewegungen der Gliedmaßen etwa oder Zuckungen im Gesicht. „Wir wollten herausfinden, ob wir mit einer etwa vier bis fünf Millimeter weiter außen gelegenen Stimulation auch die kognitiven Probleme behandeln können“, berichtet Wojtecki.

Mit einem Test überprüfte der Düsseldorfer Neurologe den Erfolg seiner Therapie. Die Patienten mussten per Tastendruck entscheiden, ob ein Pfeil, der auf einem Monitor erschien, in dieselbe Richtung zeigte wie ein Pfeil, der kurz vorher erschienen war. Das überraschende Ergebnis: Die Huntington-Patienten machten unter Stromeinfluss weniger Fehler als Gesunde – während sie zuvor häufiger falsch lagen.

(vsz)