Verschwendung an der Quelle
Trotz des hohen Ölpreises lassen viele Förderkonsortien noch immer fortschrittliche Extraktionsmethoden links liegen, mit denen die Ausbeute deutlich gesteigert werden könnte.
- Kevin Bullis
Der Ölpreis steigt und steigt. Und trotzdem werden große Mengen des schwarzen Goldes in den Feldern belassen, weil die traditionellen Extraktionsmethoden nur an das besonders leicht zugängliche Öl herankommen. Experten aus der Ölindustrie zufolge betrifft dies bis zu 75 Prozent des Rohstoffes in einigen Ölfeldern.
Verschiedene Technologien wie das so genannte "intelligente Ölfeld" könnten die Produktion bekannter Vorkommen deutlich erhöhen. Viel Geld wird trotzdem nicht in diese Ideen investiert – besonders die nationalen Ölfirmen, die den größten Teil der Ölreserven des Planeten kontrollieren, halten sich zurück. Wird Öl aus einem Feld zu schnell gefördert oder von der falschen Stelle aus, kann es dazu kommen, das große Mengen im Boden verbleiben, erläutert Richard Sears, Gastwissenschaftler am MIT, der als Vizepräsident für die Ölerkundung bei der niederländischen Royal Dutch Shell gearbeitet hat. Der Grund: Die besten Technologien, um ein Ölfeld zu managen, benötigen einiges an Vorab-Investitionen, wenn das Reservoir kartografiert und die ersten Quellen gebohrt werden – und es kann Jahrzehnte dauern, bis sie sich amortisieren.
Bei den meisten Quellen befindet sich das Öl in porösem Gestein in geologischen Schichten, die mehrere Dutzend Meter dick sind, aber kilometerweit reichen. Eine konventionelle Quelle ist als vertikaler Schacht angeordnet, der nur mit einem engen Querschnitt des Reservoirs in Kontakt kommt. Die Effektivität einer solchen Quelle hängt davon ab, ob das Öl problemlos durch mikroskopisch kleine Poren dringen kann – und das über große Distanzen. Diese Tatsache kann die Produktion verlangsamen, und sie führt oft dazu, dass Teile des Öls in der ungleichförmigen Geometrie des Vorkommens gefangen bleibt.
Seit 15 bis 20 Jahren ist es jedoch möglich, auch horizontale Bohrlöcher in die Erde zu treiben. Sie folgen dem Ölfeld der Länge nach, sodass der Bohrkopf über Kilometer in Kontakt mit dem Öl steht und nicht nur für wenige Meter. Fortschrittliche bildgebende Verfahren und neue Bohrtechniken machen es seit einigen Jahren außerdem realistisch, mit einer Genauigkeit von ein bis zwei Metern zu bohren, wie Sears sagt. Diese verbesserte Präzision erlaubt es den Ölfirmen, im oberen Bereich der Quelle zu bleiben, wo das Öl sitzt – und nicht in die Nähe des Wassers zu kommen, das in manchem Reservoir etwas tiefer ebenfalls zu finden ist.
Noch interessanter sind so genannte "intelligente Ölfelder", bei denen Sensoren zum Einsatz kommen, die die extremen Temperaturen und Druckzustände aushalten können, die tief unter der Erde herrschen. Diese Technologie erlaubt es den Ölförderern, schnell zu erkennen, wenn plötzlich Wasser statt Öl in den Pumpbereich gelangt. Dann kann die Produktion schnell gestoppt und in andere Bereiche ausgewichen werden.
Solche intelligenten Ölfelder werden von internationalen Ölfirmen wie Shell, Exxon-Mobil und BP inzwischen öfter verwendet. Die meisten Vorkommen kommen jedoch noch ohne sie aus. Am wenigsten genutzt wird die Technologie aber von nationalen Ölförderern, meint Larry Schwartz, Forscher und wissenschaftlicher Berater beim texanischen Öldienstleister Schlumberger.
Schlumberger konzentrierte sich bislang traditionell auf das so genannte "Front End" – jenen Bereich, bei dem es um die Erfassung von Messwerten geht – etwa, um die Menge des vorhandenen Öls und die Einfachheit der Entnahme zu bestimmen. Außerdem hilft die Firma dabei, intelligente Ölfelder anzubohren. Seit dem Preishoch beim Öl kommt der meiste Umsatz jedoch aus Projekten, bei denen es um die Produktionsverbesserung bestehender Quellen geht – etwa in dem Gestein unter der Erde verkleinert wird, um den Output an Bohrlöchern zu erhöhen, die leer zu laufen drohen.
Steven Koonin, oberster Wissenschaftler bei BP, glaubt, dass modernste Forschung zu automatisierten Bohrinseln auf dem Meeresboden führen könnte. Er erwartet außerdem Tiefwasser-Bohrungen im Ozean und die Ausbeutung von Quellen in der Arktis. Auch unkonventionelle Vorkommen wie Schiefer würden bald angezapft. Doch obwohl der Ölpreis seit drei Jahren stets höher als 60 Dollar war, glaubt der Ölexperte nicht daran, dass die fortschrittlichsten dieser Technologien bald verwendet werden. "Dazu muss der Preis noch ein paar Jahre so hoch bleiben, bevor die Konzerne glauben, sich diese großen Investitionen erlauben zu können." (bsc)