Multitouch für Alle

Nach der High-End-Tischlösung Surface arbeitet der Softwareriese nun an einer Technologie, die aus jedem Display einen berührungsempfindlichen Bildschirm macht.

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Von
  • Kate Greene

Berührungsempfindliche Bildschirme liegen im Trend. Apples Handy iPhone oder Microsofts Computertisch Surface sind nur einige der Beispiele, in denen die Technologie erfolgreich verwendet wird. Bei dem Softwareriesen denkt man bereits daran, die Multitouch-Bedienung in die nächste Betriebssystemversion einzubinden – auf einer Konferenz zeigten die Firmengründer Bill Gates und Steve Ballmer eine Prototyp-Variante von Windows 7 mit entsprechenden Fähigkeiten.

Noch ist die Software allerdings zum Teil recht eingeschränkt und Forscher und Ingenieure sind sich längst nicht sicher, wie sie die großen Touchscreens am besten ausnutzen. Eine neue Multitouch-Plattform namens LaserTouch, entwickelt bei Microsoft Research, soll die Kreativität nun weiter antreiben. Die verwendete Hardware soll billig genug sein, um aus jedem Display einen berührungsempfindlichen Bildschirm zu machen. Der Konzern glaubt, dass mit dieser kostengünstigen Lösung mehr Interesse in der Wissenschaft geweckt werden könnte, um neuartige Gerätetypen und interessante Schnittstellen zu entwickeln.

LaserTouch ist prinzipiell sehr einfach aufgebaut: Die Hardware kostet nur wenige Hundert Dollar ohne das notwendige Display und den Steuerrechner. Verwendet werden können Plasmafernseher genauso wie Overhead-Projektoren. Im Gegensatz zu Surface, wo eine Kamera innerhalb des Tisches eingesetzt wird, um die Berührung zu erkennen und das Bild durch Rückprojektion entsteht, setzt LaserTouch auf eine Kamera, die über dem Display angeordnet wird. Zwei Infrarot-Laser, die ihre Strahlen breit streuen, sind in den Ecken angebracht und bilden Schichten unsichtbaren Lichts. Berührt der Finger einer Person den Bildschirm, wird diese Beleuchtungsebene gestört – und dies kann wiederum die Kamera erkennen.

Ein Hauptunterschied zwischen Surface und LaserTouch sei, dass sich LaserTouch auch für sehr hochauflösende Displays eigne, sagt Andy Wilson, einer der Surface-Entwickler. Solche Bildschirme sind gut für grafische Anwendungen wie Foto- oder Video-Bearbeitung geeignet. Weil LaserTouch mit jedem Display kompatibel ist, könnte die Technik auch für Büroanwendungen wie Präsentationen nützlich sein.

Obwohl Multitouch-Schnittstellen erst in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit erhalten, ist die Technologie doch nicht sehr neu. Forscher spielen mit solchen berührungsempfindlichen Bildschirmen schon seit Jahrzehnten im Labor. Es dauerte allerdings bis zum Erscheinen des iPhone, bis die praktische Nutzbarkeit bewiesen war, wie Scott Hudson, Professor für Informatik an der Carnegie Mellon University, sagt. "Das iPhone hat Multitouch sehr viel Sichtbarkeit verschafft. Ich denke, dass das Publikumsinteresse nun groß genug ist, so dass vielen Herstellern spannend erscheint."

Microsoft selbst ist nicht die einzige Firma, die große berührungsempfindliche Displays plant. Die Mitsubishi Electric Research Laboratories haben einen Tisch namens "DiamondTouch" für Büroanwendungen entwickelt, während Perceptive Pixel, ein Start-up des New York University-Forschers Jeff Han, wandgroße Riesen-Bildschirme vermarktet, die etwa beim Militär Verwendung finden. Außerdem gibt es inzwischen Kits, mit denen Nutzer sich selbst eigene Multitouch-Displays bauen können – inklusive Open-Source-Software aus dem Internet.

Wilson demonstrierte bei einer Veranstaltung von Microsoft Research einige neue Anwendungen, an der die Firma derzeit arbeitet – zu den spielerischen Lösungen gehören ein Schachspiel, das sich gegen einen virtuellen Partner spielen lässt und eine Software, die es Nutzern erlaubt, Gegenstände "virtuell" aufzuheben. (Wenn der User eine schöpfende Bewegung mit macht, erscheint eine virtuelle Hand auf dem Bildschirm, die das zu nehmende Objekt hält.)

Wilson demonstrierte außerdem eine neue Präsentationssoftware, die für berührungsempfindliche Bildschirme gedacht ist und es erlaubt, schnell zwischen Folien zu wechseln, Objekte in ihrer Größe zu verändern und innerhalb der Inhalte zu navigieren. Präsentationen seien für berührungsempfindliche Bildschirme besonders geeignet, weil dies die Vorführung lebendiger mache, meint er.

Microsoft hat derzeit keine Pläne, das LaserTouch-System kommerziell zu vermarkten, hofft aber, dass der Ansatz die Entwicklung von Multitouch-Anwendungen innerhalb der Forschungsgemeinschaft vorantreiben könnte.

"Es hilft allen, wenn die Hardware so billig wie möglich ist, besonders bei größeren Displays", sagt Experte Han. Wichtig sei aber die Genauigkeit des Systems, damit die neuen Anwendungen auch wirklich funktionierten. LaserTouch sei hier möglicherweise derzeit noch zu fehleranfällig. "Es kommt leicht vor, dass die Finger und Hände den Erkennungsmechanismus blockieren", meint er. (bsc)