Polarexpeditionen im Großraumkombi
Die Ära der beräderten Kästen mit maximalem Nutzraum scheint vorbei. Renault hat den neuen Espace als eine Art Riesenlifestylekombi neu angelegt. Da passen keine stehenden Motorräder mehr rein
Die Tage bin ich zwei diametral gestaltete Pole des Themas "Großraumkombi" gefahren, den Ford Tourneo Connect und den neuen Renault Espace. Den Ford gab es im Stadtmobil-Fuhrpark als Neuzugang mit 78 Kilometern auf der Uhr für den Preis eines normalen Kombis. Gebucht. Klipp, klapp, sind die Sitze weg von der Ladefläche, auf die unsere zu transportierende Kommode stehend passte, weil das Dach so hoch ist. Zusatzbonus: Der Tourneo hat ein Heckklappendach wie ein T5, unter dem man im Regen stehen oder auf der flachen Ladekante sitzen kann, und wem sich der Sinn dieser Konstruktion nicht erschließt, verbringt wahrscheinlich zu wenig Zeit mit dem Auto draußen auf der grünen Wiese.
Zu diesen praktischen Tugenden kommt: Man würde es diesem Eimer nicht zutrauen, aber er fährt gut. Ford hat es immer noch drauf, ein preisgünstiges Fahrwerk gut abzustimmen. Man sitzt hoch, kann viel mitnehmen, das Auto ist seinen Preis wert und die Geräuschkulisse innen passt auch. Sicherheitshalber: Der Wagen ist leise. Eigentlich kann dieses Auto alles, was SUV-Käufer als Gründe angeben, besser als ein SUV. Es schaut halt aus wie ein Baucontainer voller Balkan-Bling, aber die vergeblich verzierte Kastenform ist eben das Los eines jeden nützlichen Großraumfahrzeugs.
Polarexpeditionen im Großraumkombi (22 Bilder)

(Bild: Ford)
The Original Großraum
Renault hat damals mit dem Espace und später mit dem Twingo diese Formel des leicht aerodynamisch angekeilten Kastens nutztechnisch perfektioniert. Jürgen Mainx, der die Espace-Fotos hier geschossen hat, kriegt in seinen Vorgänger-Espace eine Yamaha Fazer mit abmontierten Spiegeln – stehend. Bisher dachte ich immer, diese rustikal landwirtschaftliche Nutzwertigkeit sei Renaults großer Erfolg gewesen, aber schon der neue Twingo belehrte mich eines Besseren. Irgendwie verkauften sich die Espace-Kästen zuletzt nicht mehr. Vielleicht waren die Kunden auch alle zum Tourneo übergegangen oder sogar zu einem Touran, den ich zwar schauderhaft finde, aber wahrscheinlich auch ganz praktisch finden würde, zwänge mich jemand jemals zum Fahren.
Auf jeden Fall hat Renault den Espace komplett neu erfunden. Er schaut nicht mehr aus wie ein Baucontainer voller Balkan-Bling, sondern eher wie ein auf 120 Prozent gezoomter Lifestyle-Kombi. Der Boden liegt höher, das Dach gleichzeitig niedriger, die Gesetze der Geometrie blieben gleich, also ganz zuerst: In diesen Espace kriegst du ganz sicher kein stehendes Motorrad mehr. Für wen haben die das gebaut? Zum Beispiel kommen sie damit endlich in die Firmenflotten, mit denen in Deutschland die Mehrheit der neu zugelassenen Fahrzeuge umgesetzt werden. Und dann wird es schon klarer: Ein bis fünf Erwachsene plus vielleicht im Notfall zwei Kinder in den Kofferraum-Notsitzen cruisen am Tempomat über die deutsche Autobahn.