"Noch ist mein Kind viel besser"

RoboCup-Gewinner Sven Behnke, Professor an der Universität Bonn, zum aktuellen technischen Stand der zweibeinigen Sportautomaten.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Gordon Bolduan
Inhaltsverzeichnis

Professor Sven Behnke, Leiter der Arbeitsgruppe Autonome Intelligente Systeme an der Universität Bonn, hat beim RoboCup im chinesischen Suzhou mit dem Team NimbRo, das aus Mitgliedern seiner Hochschule sowie Forschern der Universität Freiburg besteht, den Weltmeistertitel in der Klasse der zweibeinigen, bis zu 60 Zentimeter großen Roboter errungen. Im Interview mit Technology Review spricht er über den Stand der Technik.

Technology Review: Herr Behnke, was war die Ursache für Ihren Erfolg?

Sven Behnke: Ein wichtiger Punkt waren stabilisierende Reflexe, die Störungen beim Laufen wahrnehmen und dann etwa versuchen, die Drehgeschwindigkeit des Rumpfes zu dämpfen oder die Platzierung des nächsten Schrittes so anzupassen, dass die Bewegung sich wieder stabilisiert.

TR: Was sind im Vergleich zu Radrobotern die größten Herausforderungen in der humanoiden Klasse?

Behnke: In der humanoiden Liga sind die Maschinen deutlich komplexer. Es gilt nicht nur drei Motoren anzusteuern, sondern rund 20. Die grundlegenden Fähigkeiten wie Fortbewegung oder Schuss werden nicht durch spezialisierte Mechanismen realisiert. Die Roboter müssen auf zwei Beinen laufen und ohne einen spezialisierten Kick-Mechanismus den Ball beschleunigen. Eine weitere Schwierigkeit ist, die Balance sowohl bei solch dynamischen Bewegungen als auch bei Störungen durch den Kampf um den Ball zu halten.

TR: Fußball-Experten sagen, dass Entschlossenheit, Beidfüßigkeit und Kondition einen guten Fußballer ausmachen. Sind das auch die Fußball-Tugenden ihrer Roboter?

Behnke: Die Roboter können durchaus mit beiden Füßen schießen. Die Kondition reicht auch für mindestens eine Halbzeit, dann wird der Akku getauscht. Zudem verwenden wir einen hierarchisch reaktiven Ansatz für die Verhaltenskontrolle, sodass Reaktionen und Wahrnehmungen direkt gekoppelt sind und keine längerfristigen Pläne verfolgt werden.

TR: Wie sieht eine solche Hierarchie aus?

Behnke: Auf der Ebene des Einzelgelenkes wird die Position geregelt. Darüber liegt die Ebene eines Körperteils wie Arm oder Bein. Für grundlegende Fähigkeiten wie das Laufen existiert eine weitere Ebene. Sie wird wiederum von höheren Verhaltensmustern benutzt, die beispielsweise die Annäherung an den Ball realisieren oder diesen an bestimmte Positionen auf dem Spielfeld bringen.

TR: Gibt es unter ihren Robotern Spezialisten für Freistöße oder Kopfbälle?

Behnke: Die Hardware ist identisch, über die Software wird eine Rollenverteilung vorgenommen. Der Torwart zeigt dann natürlich ein anderes Verhalten als der Feldspieler.

TR: Ist der einzelne Robo-Spieler wichtiger als die Gesamt-Strategie?

Behnke: Es ist ganz klar, dass mit so wenigen Spielern die Strategie nur eine unterordnete Rolle spielt und im Wesentlichen individuelle Fähigkeiten gefragt sind.

TR: Und dennoch ist die KidSize-Klasse für die Forschung interessant?

Behnke: Wir beschäftigen uns in diesem Projekt ja nicht nur mit dem Fußballspiel, sondern auch mit intuitiver, multi-modaler Kommunikation zwischen Menschen und menschenähnlichen Robotern. Also Verständigung nicht nur über Sprache, sondern auch über Mimik, Gestik, den Blick und ähnliche Dinge.

Humanoide Roboter sind einerseits eine Herausforderung für die künstliche Intelligenz, anderseits aber auch für die Robotik. Man hat Ameisenroboter gebaut, um bestimmte Aspekte der Ameisenintelligenz zu verstehen. Nun hofft man, durch den Bau menschenähnlicher Roboter mit menschenähnlichem Verhalten bestimmte Aspekte menschlicher Intelligenz besser verstehen zu können. Aus Sicht der Robotik hat man die Hoffnung, universell einsetzbare Roboter zu schaffen, die nicht nur eine Spezialaufgabe erledigen können, sondern Menschen in Umgebungen, die für Menschen geschaffen wurden, auch ersetzen zu können.