Der Klimagas-Killer

Geologen haben nachgewiesen, dass sich in bestimmten Gesteinsformationen große Mengen Kohlendioxid speichern lassen.

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Von
  • Kevin Bullis

Chemische Reaktionen, die Kohlendioxid aus der Atmosphäre ziehen und in festem Gestein speichern, könnten bald jedes Jahr Milliarden Tonnen des Klimagases umweltfreundlich abbauen. Forscher der New Yorker Columbia University haben entsprechende Reaktionen in einer Gesteinsformation nachgewiesen, die sich besonders gut für diese Form der so genannten Sequestrierung eignen soll.

Das "Peridotit"-Gestein, das im Oman, in Kalifornien, Neuguinea und weiteren Regionen auf der ganzen Welt zu finden ist, produziert Calziumcarbonat- und Magnesiumcarbonat-Gestein, wenn er mit Kohlendioxid in Kontakt kommt. Im Oman sequestriert dieses Gestein bereits auf natürlichem Weg Hunderttausende Tonnen Kohlendioxid pro Jahr. Durch Tiefbohrungen oder unterirdisches Aufbrechen der Gesteinsformationen könnte man mehrer Milliarden Tonnen Kohlendioxid pro Jahr binden, berichten die Forscher in einem aktuellen Aufsatz in der Fachzeitschrift PNAS – das wären mehr als die 1,4 Milliarden Tonnen Klimagasemissionen, die jährlich in den USA in den besonders schmutzigen Kohlekraftwerken entstehen.

Die Strategie der Columbia-Forscher sei attraktiv, weil sich so ein breites neues Potenzial zur Speicherung großer Kohlendioxidmengen ergebe, meint Marco Mazzotti, Leiter des Laboratoriums für Trennprozesse an der ETH Zürich. Heutige Sequestrierungssysteme bestehen typischerweise aus dem Einleiten des Kohlendioxids unter die Erde, wo es in porösen Grundwasserleitern gefangen wird. Da die Columbia-Forscher das Klimagas in Form von Gestein speichern wollen, reduziere dies das Risiko von Leckagen, meint Mazzotti.

Im Oman speichern der natürliche Peridotit Kohlendioxid in einem Netzwerk aus unterirdischen Gesteinsadern. Die Formation enthält große Mengen an Olivin, einem Mineral, das aus Magnesium, Silizium und Sauerstoff besteht. Reagiert das Grundwasser mit dem Olivin, reicherte sich das Wasser mit gelöstem Magnesium und Bicarbonat an. Letzteres steigert die Kohlenstoffkonzentration im Wasser um das Zehnfache. Je tiefer das Wasser in das Gestein eindringt und schließlich nicht mehr mit der Umgebungsluft reagieren kann, desto stärker erfolgt eine Ausfällung des Magnesiums, des Kohlenstoffs und des Wassers aus der Lösung. Dann bildet sich Magnesiumcarbonat, auch Magnesit genannt, außerdem Dolomit, der Kalzium, Magnesium, Kohlenstoff und Sauerstoff enthält. Mit der Bildung von Magnesit und Dolomit erhöht sich das Volumen des Gesteins um rund 44 Prozent, was zu weiteren Rissen führt, die wiederum ein Netzwerk aus Gesteinsfrakturen bilden, die bis zu 50 Mikrometer klein sein können. Dies öffnet das Gestein weiter und erlaubt dem Wasser, es noch stärker zu durchdringen. "Es ist ein bisschen so als wenn man ein Kohleflöz in Brand steckt", sagt Peter Kelemen, Professor für Umweltwissenschaften an der Columbia University. "Man nimmt ein Gestein, das bislang nie mit der Atmosphäre in Kontakt kam und oxidiert es sehr schnell."

Die Forscher rechneten aus, dass sich dieser natürliche Prozess dramatisch beschleunigen lässt. Mit Techniken, die aus der Ölindustrie stammen, um den Output bestehender Quellen zu erhöhen, ließe sich das Gestein stärker mit Rissen versehen und damit die Reaktionsoberfläche erhöhen. Kohlendioxid, das von Kraftwerken aufgefangen wurde, könnte in das Gestein gepumpt werden, wo es dann die Bildung von Carbonaten anregt. Erhitzt man das Gestein, würde das auch die Reaktion steigern. Weil die Reaktion jedoch selbst Wärme generiert, wird sie schnell zum Selbstläufer. Die Forscher ermittelten, dass es bereits ausreicht, wenn eine Temperatur von 185 Grad erzeugt wird, damit dieser Fall eintritt. In einem solchen System würde dann ein Kubikkilometer Gestein eine Milliarde Tonnen Kohlendioxid pro Jahr speichern können.

Alternativ ließe sich auch ein einfacherer Sequestrierungsansatz nutzen. Dabei müsste man weder Kohlendioxid zu passenden Gesteinsformationen leiten noch das Gestein erhitzen. In diesem Szenario würden Gesteinsformationen in flachen Meeresgewässern vor der Küste Omans angebohrt – mit Hilfe existierender Techniken aus der Ölindustrie. Dazu würden nur zwei Hauptlöcher benötigt. In das erste würde kaltes Seewasser gepumpt. Die Gesteinstemperatur steigt hierbei mit der Tiefe, so dass das Wasser sich erwärmen würde, je weiter es eindringt, bis es fast 185 Grad erreicht. Kohlendioxid, das natürlich im Wasser gelöst ist, würde dann ausfallen. Das heiße Wasser kann dann seinen Weg durch das rissige Gestein nehmen, bis es das zweite Bohrloch erreicht, wo es dann mittels Konvektion wieder an die Oberfläche gelangt. Das Seewasser würde dann erneut Kohlendioxid absorbieren, weil flache Gewässer und Brandung sich gut mit der Luft in der Atmosphäre mischen. "Weil die Atmosphäre das Kohlendioxid auf der ganzen Welt kostenlos transportiert, könnte das die weltweiten Klimagasemissionen reduzieren, wenn man solche Anlagen in großem Maßstab aufbaut", meint Kelemen.

Die Technologie würde allein von der Konzentration des Kohlendioxids im Seewasser beschränkt sein, so dass ein Kubikkilometer Gestein den Berechnungen zufolge rund eine Million Tonnen im Jahr sequestrieren könnte. Doch weil es dabei unnötig wäre, das Kohlendioxid zu transportieren oder für die Erwärmung des Gesteins zu zahlen, wäre es möglich, deutlich größere Gesteinsbereiche zu nutzen und dabei dann tatsächlich auf Milliarden Tonnen Kohlendioxid im Jahr zu kommen. "Vom Konzept her ist das sinnvoll", meint Experte Mazzotti.

Einige Fragen bleiben allerdings noch bei der praktischen Umsetzung. So hängt die selbst laufende Reaktion stark von der Fähigkeit des Magnesiumcarbonats und anderen Ausfällungen ab, das Gestein weiter zu spalten, um eine größere Reaktionsfläche freizugeben. Die Forscher haben beobachtet, dass das in der Geologie im Oman erfolgt, doch ist noch unklar, ob das im oben genannten Szenario weiterhin der Fall wäre. Deshalb müssten nun Tests im großen Stil durchgeführt werden, um das Konzept zu belegen, meint Mazzotti. (bsc)