Grün, grüner, nano?

Wenn Nanotechnologien derzeit Schlagzeilen machen, dann meist wegen möglicher Risiken für Gesundheit und Umwelt. Doch jenseits der Risikodebatte sorgt ein neues Schlagwort für Bewegung in der Nanoszene: "green nanotechnology". Teil 1 einer neuen TR-Serie.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Niels Boeing
Inhaltsverzeichnis

Es war kein Aprilscherz, als die renommierte Investmentbank Merril Lynch am 1. April 2004 die Einrichtung eines „Nanotech-Index“ bekannt gab. Nanotechnik, darin waren sich die meisten Hightech-Beobachter einig, würde schon bald die nächste „große Welle der Innovation“ einleiten, die den Zusammenbruch der New Economy vergessen machen könnte. Es kam anders: Das Internet erlebte als „Web 2.0“ ein beeindruckendes Comeback, Merril Lynch ist inzwischen Geschichte, im Tumult der jüngsten Finanzkrise aufgekauft von der Bank of America – und der Nano-Hype hat sich verflüchtigt. Wenn Nanotechnologien derzeit Schlagzeilen machen, dann meist wegen möglicher Risiken für Gesundheit und Umwelt.

Das könnte sich ändern: Seit der UN-Klimarat IPCC im vergangenen Jahr den Klimawandel zurück auf die Tagesordnung der Weltpolitik gesetzt hat, ist auch die Nanotech-Szene in Bewegung gekommen. Das neue Schlagwort lautet „green nanotechnology“, grüne Nanotechnik, und Reports und Konferenzen sondieren zunehmend das Potenzial der Kleinsttechnologien für Energie, Klimaschutz und Umwelt. „Cleantech entpuppt sich gleichermaßen als Nutznießer und Chance der Nanotechnik. Meines Erachtens sind die Parallelen zwischen beiden so groß, dass man sie kaum noch auseinanderhalten kann“, hat es Josh Wolfe, umtriebiger Nanotech-Analyst aus New York, in seiner Forbes-Kolumne formuliert.

Skeptiker werden dies als geschickten Schachzug abzutun. Als einen weiteren Fall von „Green-washing“, um einen von Industrie und Forschung gefürchteten Meinungsumschwung zu verhindern, sollten sich die Ergebnisse mehren, dass Nanoteilchen toxisch wirken. Tatsächlich aber könnten Nanotechnologien einen wichtigen Beitrag leisten, das gegenwärtige Wirtschaftssystem auf einen umweltverträglicheren Weg zu bringen.

Das Paradigma der Nanotechnik ist die möglichst präzise Manipulation von Stoffen auf der Nanoskala – also von Atomen, Molekülen, Teilchen und Strukturen, deren charakteristische Länge kleiner als 100 Nanometer ist. Der effiziente Umgang mit Stoffen ist ihr gewissermaßen ins Programm eingeschrieben. Bereits 1986 schwärmte der US-Ingenieur Eric Drexler in seiner bis heute umstrittenen Vision „Engines of Creation“: „Wir werden die nötigen Nanosysteme schaffen, um den Unrat beseitigen, den uns die Zivilisation des 20. Jahrhunderts hinterlassen hat.“ Drexler glaubte, dies mit einem kühnen Höhenflug hin zu autonomen Nanorobotern bewältigen zu können. Den meisten Forschern ist längst klar, dass sie die Mühen der Ebene auf sich nehmen müssen, soll die Nanotechnik ihr Ökopotenzial wirklich entfalten. Das bedeutet: in akribischer Forschungsarbeit neue Materialien zu finden, die dank ihrer Teilchengröße oder ihrer nanoskaligen Strukturen bestehende Technologien zunächst einmal verbessern.

„Die kurzfristigen Cleantech-Anwendungen von Nanotechnik werden eher recht unspektakuläre Dinge wie Katalysatoren, Beschichtungen und Materialzusätze sein, noch nicht ein großer Wurf wie die Photovoltaik der nächsten Generation“, sagt Jaideep Raje vom US-Marktforschungsunternehmen Lux Research. Setzt man etwa Nanopartikel aus Ceroxid in geringen Konzentrationen von einigen "parts per million" (ppm) Diesel-Kraftstoff zu, entfalten sie eine katalytische Wirkung: Der Diesel wird in der gesamten Brennkammer gleichmäßiger und auch gründlicher verbrannt, weil Sauerstoffatome aus den Partikeln die Verbrennung unterstützen. Das senkt nicht nur die Emission von Schadstoffen. Versuche der britischen Firma Oxonica haben gezeigt, dass so der Dieselverbrauch um fünf bis zehn Prozent abnimmt.