Grünes Plexiglas

Bakterien könnten in einigen Jahren aus Zucker umweltfreundliches Acrylglas machen - ganz ohne den Verbrauch von Erdölprodukten.

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Von
  • Lauren Cahoon

Ein Forscherteam der Universität Duisburg-Essen (UDE) hat ein Bakterienenzym entdeckt, das ein wichtiges Grundmaterial für die Herstellung von Acrylglas und Acrylfarbe liefern kann. Es könnte in einigen Jahren ganz neue Möglichkeiten eröffnen, die populären Kunststoffprodukte umwelt- und klimafreundlich zu produzieren, hoffen die Wissenschaftler.

Die Schaffung unterschiedlicher Plastiksorten durch Bakterien wurde bereits mehrfach gezeigt. Die UDE-Forscher sind allerdings die ersten, denen es gelang, einen biosynthetischen Signalweg zur Erzeugung von Acrylglas aufzudecken. Das durchsichtige Kunststoffmaterial stellt eine bruchsichere Alternative zu regulärem Glas dar. Die Forscher glauben, dass entsprechende Produkte recht bald auf den Markt kommen könnten, womöglich noch in den nächsten zehn Jahren. "Wir haben das Enzym", sagt Thore Rohwerder, Mikrobiologe an der Hochschule, "nun brauchen wir noch einen Prozess, der dafür sorgt, dass wir große Mengen herstellen können. Ich bin optimistisch, dass uns das gelingt".

Acrylglas, das man auch unter dem Markenbegriff Plexiglas kennt, wird durch die Polymerisierung von Methylmethacrylat (MMA) geschaffen – es wird dabei in ein Bad aus Methacrylsäure getaucht, ein stark ätzendes chemisches Lösungsmittel. Das MMA selbst stammt aus der Petrochemie. Im Ergebnis werden zur Produktion von Acrylglas also große Mengen fossiler Brennstoffe verbraucht und es bleiben außerdem allerlei toxische Nebenprodukte übrig.

Rohwerder und sein Kollege Roland Müller vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung untersuchten ursprünglich eine Methode, den Benzinzusatz Methyltertiärbutylether (MTBE) biologisch abzubauen. In dem Paper, das im Juni 2006 im "Journal of Applied and Environmental Microbiology" erschien, beschrieben sie erstmals ein Enzym in einem Bakterium, das den Stoff abbauen konnte. Sie erwähnten dabei auch einen anderen Vorteil – es schuf gleichzeitig 2-Hydroxyisobutyrat (2-HIBA), eine Vorstufe zu Acrylglas.

Es dauerte allerdings noch bis 2008, bis sich die UBE-Forscher entschieden, das Enzym auch zur Herstellung des Glasersatzes zu verwenden. Die Entdeckung stieß schnell auf reges Interesse, wie Jalal Hawari, Chemiker beim National Research Council Canada, meint. "Acrylglas wird sehr häufig eingesetzt – dementsprechend sucht fast jeder Forscher nach einem biologischen Weg, an es heranzukommen. Wer das schafft, hat Großes geleistet."

Das fragliche Enzym produziert 2-HIBA, das dann mit einigen relativ einfachen Reaktionen aus der organischen Chemie zu Acrylglas wird. "Der davor notwendige Prozess ist für Chemiker sehr schwer, für das Enzym aber sehr einfach", sagt Rohwerder. Zucker, Alkohole oder Fettsäuren werden dem Bakterium zugefüttert, das dann das Enzym nutzt, um die Kunststoff-Vorstufe zu erzeugen.

Ein weiterer Vorteil ist, dass das Enzym dabei helfen könnte, die Verwendung chemischer Lösungsmittel zu vermeiden. "Bei der Polymerisierung müssen scharfe organische Bestandteile verwendet werden. In der Biologie geht das auch in Wasser", sagt Hawari.

Die Qualität des Endproduktes ist bereits gut. Die Herausforderung an das Team aus Duisburg-Essen liegt nun darin, die Mikroorganismen dazu zu bewegen, genügend Material herzustellen. Das könnte schwierig werden. "Die Biologie schafft hier das Problem. Man muss den Stoffwechsel der Bakterien so manipulieren, dass das Enzym besonders gut arbeiten kann", sagt Rohwerder.

Christophe Schilling, Gründer und Präsident von Genomatica, einer jungen Chemiefirma aus San Diego, glaubt, dass der Erfolg des Prozesses stark von seiner Wirtschaftlichkeit abhängt. "Letztlich müssen wir einen Organismus schaffen, der genügend von der Chemikalie in derart passenden Mengen produziert, dass es sich auch lohnt."

Der deutsche Mischkonzern Evonik Industries, bei dem auch die Markenrechte für Plexiglas liegen, hat Lizenzen am Patentantrag der UBE-Forscher erworben und will den Prozess nun so verändern, dass er Industriemaßstab erreicht. Mit Hilfe der Firma hoffen Rohwerder und sein Team, dass in vier Jahren eine funktionierende Pilotanlage steht. Eine industrielle Produktion könnte dann in weiteren sechs Jahren laufen. Noch ist allerdings unklar, ob es bei diesem Zeitplan bleibt. "Läuft der Prozess in zwei Jahren gut, dann wäre das super", sagt Rohwerder. Mit einigen Millionen Euro sei das durchaus zu schaffen. (bsc)