Fürsorgliche Überwachung

Forscher wollen mit Hilfe von RFID-Tags Demenz früher erkennen.

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Von
  • Kristina Grifantini

Forscher an der University of South Florida (USF) haben ein drahtloses Netzwerk entwickelt, das die Bewegungsmuster von Senioren analysieren kann, um Frühzeichen von Demenz festzustellen.

Zur Zeit stellen Ärzte ihren Patienten in der Regel eine Anzahl von Fragen, um herauszufinden, ob eine ältere Person an Alzheimer oder anderen Demenzerkrankungen leidet. Wird diese Diagnose gestellt, sind Symptome wie Gedächtnisverlust allerdings häufig bereits aufgetreten. Medikamente, die aktuell verfügbar sind, verlangsamen die Krankheit aber nur. Je früher Demenz erkannt wird, desto besser sind also auch die Behandlungschancen.

Forscher suchen nun nach Wegen, die Erkrankung früher zu erkennen – beispielsweise durch das Aufspüren von Biomarkern oder durch Gehirnscans. Die USF-Wissenschaftler nutzen einen anderen Ansatz: Sie haben ein RFID-System entwickelt, das es erlaubt, Bewegungsmuster von Patienten in ihrer natürlichen Umgebung zu erfassen.

"Wir haben es hier mit einem Gerät zu tun, das uns eine Früherkennung von Demenz erlaubt. Damit wollen wir sicherstellen, dass die betroffenen älteren Menschen ihre letzten Jahre so angenehm wie möglich verbringen können", erklärt William Kearns, Juniorprofessor an der USF, der sich mit Altersforschung und geistiger Gesundheit beschäftigt. Demenz erhöhe das Risiko von Verletzungen, die durch Stürze hervorgerufen werden. "Im betreuten Wohnen ist das ein riesiges Problem".

Um die Idee zu testen, brachten die USF-Forscher RFID-Tags am Handgelenk von Bewohnern zweier Einrichtungen in Florida an. Diese Geräte sendeten Signale, die von Empfängern im gesamten Gebäude aufgezeichnet wurden. So ließen sich die Bewegungen in allen drei Dimensionen verfolgen – mit einer Genauigkeit von 25 Zentimetern.

Die Forscher analysierten die Bewegungsmuster der Bewohner dabei auf besondere Zeichen kognitiver Probleme: Eine Tendenz zum Umherschweifen, zum schnellen Richtungswechsel oder zu wiederholten Pausen. In einer Studie mit 20 Bewohnern fanden die Forscher eine statistische Beziehung zwischen denjenigen, die abnorme Bewegungsmuster aufwiesen und denen, deren Gehirntestergebnisse im Demenzbereich verliefen. In der nächsten Zukunft will das USF-Team eine Software entwickeln, die solche Warnzeichen automatisch erkennen kann.

Andere Forscher wollen die RFID-Technik als kostengünstige Methode nutzen, die Seniorenversorgung insgesamt zu verbessern. 2004 startete Intel ein Projekt, bei dem passive RFID-Tags an Objekten angebracht wurden, um die täglichen Bewegungen von Senioren sicherer zu machen. Dieser Ansatz kann Betreuer unter anderem warnen, dass sie prüfen sollten, ob ein Patient seine Medikamente eingenommen hat. Andere Systeme wie der "ResidentGuard" von Accutech, lösen Alarm aus, wenn eine Person, die ein RFID-Band trägt, sich aus einem bestimmten Bereich begibt, um Patienten mit Demenz zu schützen.

Donald Patterson, Professor für Informatik an der University of California, Irvine, meint, dass der USF-Ansatz direkter ist als solche, die versuchten, komplexe Aktivitäten zu überwachen. "Das Prüfen solcher biologischer Werte ist immer am einfachsten."

Die USF-Forscher nutzen eine sehr genaue RFID-Ausrüstung. Die verwendeten Ultra-Wideband-Chips (UWB) sind weniger störanfällig als passive RFIDs und können Signale durch Wände hindurch empfangen und senden. Die Reichweite liegt bei 185 Metern. Die Technik erlaubt es sogar, mehrere Personen in einem überfüllten Raum zu überwachen. Die Tags enthalten Batterien, die mindestens drei Jahre durchhalten sowie Bewegungssensoren, die die Komponenten in einen Schlafmodus versetzen, sollte sich der Träger nicht bewegen. Laut Kearns kostet das Gesamtsystem inklusive einem Dutzend Tags nur rund 7000 Dollar.

Tanzeem Choudhury, ein Intel-Forscher, der RFID-Tags nutzt, um Informationen sozialer Gruppen zu erfassen, hält die Technik deshalb für nützlich, weil sie so einfach sei. "Es ist schön, dass sich darüber schnell Ergebnisse ermitteln ließen."

Einige Forscher hinterfragen den Ansatz allerdings. Zwar seien abnorme Bewegungsmuster und Demenz schon in früheren Studien miteinander in Beziehung gesetzt worden. "Doch es gibt viele Faktoren, die Bewegungen beeinflussen können und die Krankheit ist in ihren frühen Stadien keine Bewegungserkrankung", meint Robert Green, Co-Direktor des klinischen Alzheimer-Forschungsprogramms an der Boston University. Außerdem hätten die USF-Forscher sich nur bereits diagnostizierte Demenzfälle angesehen.

Lisa D'Ambrosio, Wissenschaftlerin am "AgeLab" des MIT, hält den Ansatz dennoch für sinnvoll. "Es ist eine sehr interessante Anwendung für die RFID-Technologie." Einer der wichtigen Trends in der Neurologie bleibe, Krankheiten wie Alzheimer und andere Demenzleiden früher zu erkennen. (bsc)