Bienen müssen Gen-Mais weichen

Vorsicht, Sondermüll: Wenn Bienen künftig an genmanipulierten Pflanzen naschen, hat der Imker ein Problem.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 26 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Heinz Wraneschitz

Vom Lebensmittel zum Sondermüll ist es nur ein kleiner Schritt, wie der Hobby-Imker Karl Heinz Bablok erfahren musste, als er seinen Honig auf Spuren von Gentechnik überprüfen ließ. Ein unabhängiges Labor fand Pollen des Gen-Maises „Mon810“, der etwa zwei Kilometer von Babloks Bienenhäusern entfernt auf Versuchsfeldern des Freistaats Bayern wuchs. Bablok ließ seine Ernte für 7,55 Euro pro Kilo in der Müllverbrennungsanlage entsorgen und klagte vor dem Augsburger Verwaltungsgericht gegen den Freistaat und den Saatguthersteller Monsanto. Das Gericht urteilte, dass Honig mit Gen-Pollen nicht verzehrt oder verkauft werden dürfe und gestand dem Imker „noch zu erhebende Entschädigungsansprüche“ zu.

Dagegen sind Bayern und Monsanto in Berufung gegangen. Im Lauf dieses Jahres soll der Bayerische Verwaltungsgerichtshof über den Fall entscheiden. Das Ganze sei „juristisches Neuland und von grundsätzlicher Bedeutung“, sagte eine Sprecherin des Augsburger Verwaltungsgerichts.

Was macht den Fall so brisant? Auf den ersten Blick wirkt das Augsburger Urteil wie eine verirrte Einzelmeinung. Mehr als 80 Prozent des Honigs in Deutschland wird importiert – und in etwa der Hälfte des ausländischen Honigs fand die Zeitschrift „Öko-Test“ Pollen genmanipulierter Pflanzen. Nach Augsburger Lesart müssten also große Teile des deutschen Brotaufstrichs in der Müllverbrennung landen.

Das Gericht argumentiert, Mon810 sei nur als Futtermittel, nicht aber als Nahrung zugelassen, und die Pollen seien als gentechnisch veränderte Organismen anzusehen und damit unzulässig. Doch diese Behauptung steht auf wackligen Füßen: Pollen enthalten zwar veränderte Gene, können diese allein jedoch nicht in die entsprechenden Proteine übersetzen. Professor Klaus-Dieter Jany, Leiter des Molekularbiologischen Zentrums der Bundesforschungsanstalt für Ernährung, schreibt in einem Gutachten: „Der im Honig konservierte Pollen kann aus wissenschaftlicher Sicht nicht mehr als funktionsfähiger Organismus angesehen werden.“ Auch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit teilt mit, dass „Honig, der Pollen aus gentechnisch verändertem Mais enthält, keiner Zulassungspflicht unterliegt und somit verkehrsfähig ist“.

Doch selbst wenn die Einschätzung von Gen-Pollen als Sondermüll in der nächsten Instanz gekippt würde – ein anderer Aspekt des Augsburger Urteils birgt noch mehr Sprengstoff. Dabei geht es um die Frage, wer dafür verantwortlich ist, dass der Honig genpollenfrei bleibt. Das Gericht beschied, der Hobby-Imker könne nicht vom Betreiber der Felder verlangen, „den Mais vor der Blüte zu ernten oder die Pollenfahnen abzuschneiden und einzutüten“. Will jemand künftig also genpollenfreien Honig produzieren, muss er selbst dafür sorgen, dass seine Bienen keinen Gen-Mais anfliegen. Damit kehrt das Gericht das Verursacher-Prinzip um. Bisher war es so, dass Felder mit genmanipuliertem Mais 150 bis 300 Meter Abstand zu konventionellem Mais haben müssen. Für Bienen reicht das nicht: Sie gehen mitunter auf kilometerweite Sammeltouren. Nach der bisherigen Abstandsregelung müsste genmanipulierter Mais außerhalb der Reichweite von Bienenvölkern angebaut werden – was wohl einem Verbot von genmanipuliertem Mais gleichkäme.

Müssen umgekehrt die Imker dem Mais weichen, haben sie kaum noch eine Chance, genpollenfreien Honig herzustellen. Und das hätte für sie handfeste wirtschaftliche Konsequenzen, ob die Furcht vor Gen-Pollen nun irrational ist oder nicht. Solange Kunden gentechnikfreien Honig bevorzugen, solange bedeutet der Verzicht darauf wirtschaftliche Einbußen. Allein der Test auf Gen-Pollen kostet aber für jeden Bienenkasten rund 200 Euro. „Frei von Gentechnik“ mag zurzeit jedenfalls kein Imker mehr aufs Honigglas schreiben.

Der Fall zeigt: Das bisher propagierte Nebeneinander von Gentech und naturbelassener Landwirtschaft funktioniert nicht. Die 82000 Hobby- und 5000 Berufsimker in Deutschland sind die Ersten, die das zu spüren bekommen. Doch sie sind nicht die einzigen Leidtragenden: Wenn Imker die Arbeit einstellen und weniger Bienen Mais, Raps oder Obst bestäuben, sinken auch die Erträge der umliegenden Landwirte.

Bablok ist jedenfalls entschlossen, notfalls auch bis zum Europäischen Gerichtshof zu gehen: „Wir Imker haben den Stöpsel im Damm – und wenn wir verlieren, dann wird überall Gentechnik angebaut.“

Text entnommen aus TR 03/2009. Das Heft ist seit dem 19.2. im Handel oder hier portokostenfrei online zu bestellen. (wst)