Abgang der Gründerväter

Bill Gates hat die Führung von Microsoft abgegeben, Steve Jobs verlässt scheibchenweise Apple. Die charismatische Gründergeneration der PC-Ära tritt ab, und Nachfolger vom selben Kaliber sind nicht in Sicht. Wird das Computern nun langweilig?

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Von
  • Peter Glaser
Inhaltsverzeichnis

Mit zehn verfasste Bill Gates bereits einen juristisch wasserdichten Vertrag, der ihm für fünf Dollar uneingeschränkten Zugriff auf den Baseball-Handschuh seiner Schwester Kristi zusicherte. Mit 14 gründete er mit seinem Schulfreund Paul Allen die Firma Traf-O-Data und entwickelte ein Computersystem zur Verkehrszählung. Danach machte Bill Gates Microsoft zum größten Softwareunternehmen der Welt und sich selbst zum reichsten Mann des Planeten. Viele sahen in ihm ein Idol, einen immens erfolgreichen Programmierer und Unternehmer – den König der Nerds, der über die neuen digitalen Maschinen gebietet. Am 27. Juni 2008 hatte Gates den letzten Arbeitstag in seiner Firma. Künftig will er sich ganz der mit seiner Frau gegründeten Stiftung widmen, die sich um Gesundheitsvorsorge und Bildungsprojekte in Entwicklungsländern kümmert.

Nun hat auch Apples Alpha-Person Steve Jobs seinen Rückzug angekündigt. Zu Jahresbeginn hatte er sogar seine traditionelle Macworld-Keynote ausfallen lassen, die von der Apple-Gemeinde wie ein jährliches Mini-Woodstock gefeiert wurde. Bis zum Sommer will Jobs sich ausschließlich um seine Gesundheit und seine Familie kümmern. Nach der offiziellen Ankündigung der vorläufigen Auszeit brach die Apple-Aktie um fast zehn Prozent ein. Zwar steht Apple wirtschaftlich glänzend da, dennoch streifte bei der Vorstellung, dass künftig namenlose Produktmanager das Schicksal des Unternehmens lenken sollen, der kalte Hauch einer Sinnkrise nicht nur Börsenspezialisten, sondern auch die Gemeinde der Mac- und iPod-Besitzer und anderer Computer-Glaubensrichtungen. Erleben wir eine Götterdämmerung der Computerindustrie? Was verlieren wir mit dem Glanz der populären Pioniere und IT-Superstars? Wird die Computerei nun … langweilig?

Noch lange wird das epische Ringen Bill Gates gegen Steve Jobs in unserem kollektiven Gedächtnis verzeichnet bleiben. Den Kampf von Microsoft gegen Apple hätte sich selbst Shakespeare, der ja viel Sinn fürs Populäre hatte, nicht besser ausdenken können: Zwei junge Männer, beide gescheiterte Studenten, steigen zu mächtigen Firmenchefs auf. Der eine, ein hochintelligenter Programmierer mit knallhartem Geschäftssinn, wird so reich, dass er dem Sultan von Brunei zum Geburtstag die Schweiz schenken könnte. Der andere gibt lieber den Aussteiger und eleganten Zauberkünstler, der es liebt, immer wieder außergewöhnliche digitale Überraschungen aus dem Zylinder zu holen.

Der kometenhafte Aufstieg des Computers für jedermann, der Mitte der siebziger Jahre begann, erinnert an den Erfolg einer anderen Erfindung dieser Zeit: Slime – grüner Glibber in einer miniaturisierten Plastikmülltonne. Es muss einen Moment der Kühnheit gegeben haben, in dem ein Mann zu einem anderen etwas sagte wie: "Lass uns merkwürdiges Zeug in kleinen Plastikmülleimern verkaufen und damit reich werden." Ganz ähnlich müssen zwei junge Männer im kalifornischen Los Altos sich eines Tages gesagt haben: "Lass uns allen Menschen kleine Maschinen verkaufen, mit denen man feindliche Funksprüche entschlüsseln, Geschossflugbahnen berechnen und Verwaltungsvorgänge automatisieren kann" – viel anderes hatte man zu der Zeit mit Computern noch nicht gemacht.

Steve Jobs arbeitete damals bei dem Videospiele-Hersteller Atari, und sein Freund Steve Wozniak, Ingenieur bei Hewlett-Packard, hatte einen erstaunlichen kleinen Computer gebaut. 1976 gründeten die beiden Apple Inc., drei Jahre später war die Firma ein Milliarden-Dollar-Unternehmen. Sein extremer Eigensinn, der Jobs dabei half, gegen den Willen des Apple-Managements den Macintosh zu entwickeln, wurde ihm 1985 zum Verhängnis. Der ehemalige Pepsi-Manager John Sculley, den er selbst als Geschäftsführer engagiert hatte, warf ihn aus der Firma. 1996 kaufte Apple die von Jobs zwischenzeitlich gegründete Firma NeXT, auf deren Technologie das neue Betriebssystem OS X aufbaut. Im Jahr darauf kam Steve Jobs nach einer Palastrevolution wieder bei Apple ans Ruder. Mit der Einführung des iMac führte er das angeschlagene Unternehmen nicht nur zurück in die Gewinnzone, sondern ließ dazu noch einen unbezahlbaren immateriellen Mehrwert entstehen: Die Maschinen von Apple waren cool.

Das ist die Arbeit, die nur jene ganz besonderen Spezialisten leisten können, die wir Stars nennen. Wird nun, wenn die charismatischen Helden aus dem Morgenrot der Mikrocomputer abtreten und unbekannten, austauschbaren Betriebswirten und Juristen in den Führungsetagen Platz machen, auch die ganze Branche beliebig und austauschbar werden, bis hinunter zum einzelnen Rechner? Ja, aber das ist gar nicht so schlecht. Denn Standardisierung und Vereinfachung komplexer Möglichkeiten stehen ganz oben auf dem Wunschzettel von Computernutzern, die sich einer immer vielfältigeren Flut neuer Kommunikationskanäle, Dienste, Widgets und Plug-ins ausgesetzt sehen. Etwas zugespitzt könnte man auch sagen: Ein langweiliger Computer ist einer, der keine Probleme macht. Dass wir Alt-User eher dazu neigen, uns an Personen zu orientieren als an Technologien, hat nicht zuletzt damit zu tun, dass die Computerei in der Frühzeit noch kein Massenphänomen war, sondern sich gewissermaßen familiär anfühlte. Schließlich haben sich schon vor Jahrtausenden Stammesgemeinschaften um jeweils unterschiedliche Totems geschart.