Verdienen mit Kopien

Verschiedene Start-ups versuchen, auch dann noch mit Inhalten Geld zu verdienen, wenn sie den legitimen Urheber längst verlassen haben.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Erica Naone

Der Versuch, die Verteilung von Texten, Videos oder auch Spielen im Netz zu kontrollieren, ist ein hoffnungsloses Unterfangen. Wird ein illegales Stückchen Inhalt irgendwo entfernt, tauchen an anderer Stelle gleich zwei weitere auf.

Aus diesem Grund geben einige Start-ups nun den Versuch auf, gegen die wilde Kopiererei vorzugehen. Stattdessen suchen sie nach Wegen, das Phänomen für sich zu nutzen. Sie haben Werkzeuge entwickelt, um auch dann noch Geld über Werbung zu verdienen, wenn Inhalte an den ungewöhnlichsten Orten im Netz auftauchen.

Auf der Web-Konferenz South by Southwest Interactive im texanischen Austin im März wurden einige davon vorgestellt. Podiumsteilnehmer sprachen sich dafür aus, dass die Kreativen, die Online-Inhalte schaffen, die breite Distribution kopierter Inhalte nutzen sollten, statt sie zu bekämpfen. Einige Firmen tun dies, indem sie es Nutzern erleichtern, Inhalte von Dritten legal zu verwenden, während andere an Techniken arbeiten, die urheberrechtlich geschützte Text- oder Bildinhalte überall im Web auffindbar zu machen, um dann Werbung neben ihnen zu schalten.

"Für jeden Artikel finden wir typischerweise 20 Kopien, die irgendwo im Web liegen, einige im Volltext, einige in Auszügen", sagt Rich Pearson, Marketing-Vizepräsident bei Attributor, einer Firma, die sich auf das Auffinden von Text- und Video-Inhalten ihrer Kunden im Netz spezialisiert hat. Nach der Unterteilung des Materials in kleine Schnipsel erstellt Attributor digitale Fingerabdrücke jedes einzelnen. Das System durchwühlt dann das Web und sucht nach diesen im ganzen Netz. Treffer werden an die Rechteinhaber gemeldet.

Und genau bei denen tut sich derzeit etwas. Statt gleich den Anwalt zu bemühen, erwägen sie mildere Schritte. Matt Robinson, Vizepräsident für Geschäftsentwicklung bei Attributor, berichtet, dass noch vor zwei Jahren die meisten Kunden die Technologie verwendeten, um Abmahnungen zu verschicken. Heute geht es ihnen meistens darum, Statistiken zu erhalten, wo ihr Material überall auftaucht.

Attributor geht das Kopierproblem auf zwei Wegen an. Erstens arbeitet das Unternehmen mit Online-Werbenetzwerken zusammen, um Umsätze mit den Besitzern der Inhalte zu teilen, deren Material auf reklamefinanzierten Angeboten auftaucht. Attributor testet außerdem Code, mit dem Anzeigen an einen Artikel "angeheftet" werden können, egal wo er erscheint. Eine Site kann den Text dann mit Erlaubnis des Erstellers verwenden, muss den Code aber mit übernehmen. Noch ist allerdings einiges unklar, etwa, welche Mindestumsatzsumme ein Inhalteanbieter dafür akzeptieren sollte.

Doug Knopper, Mitbegründer und Co-CEO der Video-Werbefirma FreeWheel, glaubt, dass der Schlüssel zur Reduzierung illegaler Kopien darin liegt, den Nutzern genügend legale Möglichkeiten zu geben, sich Material im Netz anzusehen. "In einer werbefinanzierten Welt will man doch ein Publikum haben und erreichen, dass ein Video möglichst weit verbreitet wird und möglichst viele Zuschauer bekommt." Der Trick liege nun darin, die Ausdehnung zu steigern, ohne dabei Geld zu verlieren. FreeWheel hat deshalb eine Technik entwickelt, die in den Abspielprogrammen von Video-Websites wie Joost, Veoh oder BlipTV steckt und Reklame nach den Regeln einblendet, die die Inhalteersteller aufgestellt haben. Knopper denkt auch noch weiter: Er will BitTorrent und andere als Piratennester beschimpfte Dateitauschbörsen nutzen, um werbefinanzierte legale Downloads anzubieten.

Mochi Media, ein Werbenetzwerk für Spieleentwickler, treibt das Konzept noch einen Schritt weiter. Die Software der Firma zeigt automatisch Reklame an, egal wo die Inhalte erscheinen. Verträge und Regeln, wer was für wie viel bekommt, sind deshalb unnötig. "Piraterie war immer etwas Trauriges, doch heute wird sie zum Bonus, denn sie bedeutet eine größere Verbreitung", sagt Technik-Vizepräsident Eric Boyd. Mochi Media bietet Kunden Codes an, über die sich Flash-Spiele erfassen lassen. So erfährt der Ersteller, auf welchen Seiten seine Games landen oder in welchen Ländern. Dann werden diese Daten verwendet, um herauszufinden, welche Reklame am besten gezeigt werden sollte. Zwar sei es möglich, den Werbe-Code zu entfernen und ein Spiel dann werbefrei zu verteilen. Doch das koste Mühe. "Generell sieht es aber so aus, dass die Leute, die Inhalte stehlen, einfach gute Sachen sehen wollen." Sie seien froh, ein Spiel in seinem aktuellen Zustand zu belassen, so lange sie es nur nutzen und weiterverteilen dürften.

Noch erwarten die Start-ups in dem jungen Geschäftsfeld erst einmal viele Experimente – sie müssen herausfinden, wie Inhalte am besten verteilt werden, ohne dass dabei zu viel Geld verloren geht. Frühere Versuche, die Kopiererei zu stoppen, gingen jedenfalls in die Hose – beispielsweise das digitale Rechtemanagement (DRM), das von den Nutzern inzwischen gehasst wird. Mochi-Media-Mann Boyd meint sogar, dass die Möglichkeit, Inhalte wie Spiele legal zu kopieren, den Erstellern auf längere Sicht nutzt. Die Kontrolle wachse damit sogar. (bsc)