Supermikroben für Zellulose-Ethanol

Mit gentechnisch veränderten Bakterien und Hefen will die US-Firma Mascoma die Ethanol-Produktion aus Zellulose effizienter und billiger machen.

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Von
  • Jennifer Chu

Zellulose aus Holzschnipseln und Papierresten zu Ethanol zu machen, hat etwas von einem anspruchsvollen Rezept aus der französischen Küche. Man braucht aufwendige Zutaten und eine Menge Töpfe, für die man jeweils auch noch andere Anweisungen befolgen muss. Eine nicht ganz effiziente und vor allem teure Prozedur. Das will die US-Firma Mascoma nun ändern: Ihre Rezeptur für Zellulose-basiertes Ethanol verzichtet auf kostspielige Enzyme und könnte dessen Produktionskosten um 20 bis 30 Prozent senken.

Der Ansatz von Mascoma nennt sich "konsolidierte Bioverfahrenstechnik". Ziel ist, viele Einzelschritte in der Ethanolproduktion zu einem einzigen Prozess zu vereinen. Hierfür setzt das Unternehmen auf gentechnisch veränderte Supermikroben. Dank einer Reihe von Verbesserungen, die auf dem diesjährigen Symposium zur Biotechnik für Kraftstoffe und Chemikalien in San Francisco vorgestellt wurden, ist man bei Mascoma nun zuversichtlich, das Verfahren in naher Zukunft kommerzialisieren zu können.

Bislang sahen die Schritte vom Zellulose-haltigen Ausgangsmaterial zum Ethanol so aus: Zuerst werden Pulpe aus der Papierherstellung oder Rutenhirse („Switchgrass“) erhitzt oder chemisch vorbehandelt, um die Zellulose von den restlichen Planzenbestandteilen zu lösen. Dieser werden dann Enzyme zugesetzt, die sie in verschiedene Zuckerarten aufspalten, die anschließend mit Hefe zu Ethanol vergoren werden.

Um die Kosten zu senken, verändern Mascoma-Forscher Mikroorganismen so, dass sie den zweiten und dritten Schritt zusammen erledigen können. Als nächstes wollen sie die Produktionsrate der Einzeller steigern. Dann ließen sich teure Enzyme einsparen, die gewöhnlich bis zu 50 Prozent der gesamten Produktionskosten ausmachen.

Auf der Liste der Kandidaten stehen derzeit drei Mikroben: die Bakterienarten C. thermocellum und T. saccharolyticum sowie eine Hefeart. Bei den Bakterien handelt es sich um so genannte thermophile, die hohe Temperaturen – wie sie in einem Bioreaktor vorkommen – aushalten können. Weil sie die natürliche Fähigkeit haben, Zellulose in Zucker und den weiter in Ethanol zu verwandeln, wird an ihnen bereits seit einigen Jahren geforscht.

Das Problem ist nur: Die Ethanolausbeute ist ziemlich gering. Das liegt daran, dass die Bakterien nur das aus Zellulose gewonnene Spaltprodukt Glucose umsetzen können, nicht jedoch die ebenfalls entstehende Zuckerart Xylose. Außerdem entstehen bei der Vergärung auch saure Abfallprodukte wie Acetate und Lactate. Und ab einer bestimmten Ethanol-Konzentration hören die Bakterien auf zu wachsen. Sie vergiften sich quasi selbst.

Die Forscher bei Mascoma veränderten deshalb gentechnisch den Stoffwechsel der Bakterien, so dass sie auch Xylose verarbeiten können, und zwar ohne Hilfe von zusätzlichen Enzymen. Die Produktion von Acetaten und Lactaten hingegen wurde im Genom blockiert. Die dritte Veränderung erhöhte die Ethanol-Toleranz: Die Bakterien können nun mehr von dem gewünschten Kraftstoff produzieren, ohne sich selbst zu schaden.

Auch bei der Hefeart wurde ein Stoffwechselweg umgebaut. Hefe kann von Natur aus Zucker sehr effizient zu Ethanol vergären und hat dabei einen hohen Stoffumsatz. Leider fehlen den Einzellern Zellulasen, also Enzyme, die Zellulose aufbrechen können. Deshalb fügten die Forscher sowohl Gene hinzu, die diese Enzyme kodieren, als auch solche, die Xylose vergären können. In Versuchen konnte die derart getunete Hefe dann Papierschlamm aus Abfällen verarbeiten. Dabei wurden 85 Prozent der Zellulose in Zuckermoleküle aufgespalten.

Frances Arnold, Chemieingenieurin am California Institute of Technology, ist optimistisch, dass mit diesen Veränderungen eine kommerzielle Produktion in greifbare Nähe rückt. „Die Menge an Zellulasen, die in den Hefezellen gebildet werden, ist beeindruckend“, sagt Arnold, die auch im wissenschaftlichen Beirat von Mascoma sitzt. Damit hätten sich zuvor viele Forscher schwer getan. „Wenn Sie in die Literatur schauen, finden sie eine Zellulase-Ausbeute von nur einigen Mikrogramm bis Milligram pro Liter. Bei Mascoma berichten sie von einem Gramm pro Liter, das sind einige Größenordnungen mehr als bisher.“

Doch bei allem Optimismus wartet immer noch Arbeit auf die Forscher. „Wir wollen die Effizienz der Zellulose-Aufspaltung noch weiter verbessern“, sagt Jim Flatt, der die Forschung und Entwicklung bei Mascoma leitet, „und auch die Rate, mit der die Zuckermoleküle in Wasser gelöst werden, denn das beschleunigt den gesamten Prozess.“ Derzeit werden die drei veränderten Mikroorganismen in einer Pilotanlage in Rome im US-Bundesstaat New York getestet. Eine Produktion im kommerziellen Maßstab könnte ab 2010 beginnen.

Beim Startup Qteros aus dem Bundesstaat Massachusetts, das auf demselben Gebiet forscht, beobachtet man die Entwicklung sehr aufmerksam. Qteros-Vizepräsident Jef Sharp sieht in den Erfolgen von Mascoma einen wichtigen Fortschritt für die konsolidierte Bioverfahrenstechnik. „Wir glauben, dass es für die Branche wichtig ist zu erkennen, dass die wirtschaftlichste Lösung wohl in der Umwandlungstechnik liegt.“

Mehr zum Tuning von Bakterien für technische Zwecke: "Biologische Fabriken", TR 10/2008 (kostenpflichtig). (nbo)