Assistenzsystem versteht die Flug-Kommandos

Ein neues Assistenzsystem für Fluglotsen kann den Dialog zwischen Lotsen und Piloten verstehen. Spontane Änderungen im Flugverkehr können so schneller erfasst werden.

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Ein neues Assistenzsystem für Fluglotsen kann den Dialog zwischen Lotsen und Piloten verstehen. Spontane Änderungen im Flugverkehr können so schneller erfasst werden.

Die Kommunikation zwischen Fluglotsen und Piloten im Flugfunk ist für Außenstehende oft rätselhaft: Das liegt nicht nur an den komplexen Kommandos, sondern auch an den Nebengeräuschen des Funks und den unterschiedlichen Akzenten von Lotse und Pilot, die sich in der Funksprache Englisch absprechen. Umso erstaunlicher ist es, dass Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), Computerlinguisten der Universität des Saarlandes und der Forschungsbereich der Deutschen Flugsicherung (DFS) eine Spracherkennungssoftware vorstellen, die genau diese Dialoge versteht.

Assistenzsystem, das zuhört

"Active Listening Assistant" (AcListant) haben die Entwickler das System genannt. Es kann als Erweiterungsmöglichkeit der genutzten Assistenzsysteme, den so genannten Arrival Managern (AMAN) verstanden werden. AMAN geben Vorschläge für die effizientesten Anflugreihenfolgen. Sie berechnen Flugrouten und gleichen Daten wie Flughöhe oder Geschwindigkeit ab. Für Fluglotsen sind sie eine hilfreiche Unterstützung bei ihrer Arbeit – zumindest solange, bis eine spontane Änderung eintritt, wie etwa ein Flugzeug mit einem Notfallpatienten an Bord. Durch die Kommunikation kann der Lotse den Piloten zur direkten Landung anweisen. Das Flugzeug muss sich dann nicht in die geplanten Anflüge einreihen. Doch bis das neue Kommando des Fluglotsen auch vom Assistenzsystem erkannt wird, können mehrere Minuten vergehen. Eine Software ohne Spracherkennung gibt in dieser Zeit Vorschläge, das Flugzeug wieder auf die geplante Flugroute zu führen. Das ist für die Lotsen nicht nur wenig hilfreich, sondern bei der komplexen Koordination von mehreren Flugzeugen auch verwirrend. Deswegen kann weiterer Kontext wie Sprachinformationen einen entscheidenden Vorteil liefern.

Der AcListant musste dafür zunächst die stark kodierte Sprache der Fluglotsen erlernen. Im Air Traffic Management and Operations Simulator (ATMOS) des DLR-Instituts für Flugführung in Braunschweig wendeten Fluglotsen ihre Kommandos für simulierte Luftverkehrssituationen an. Als Vorbild für die Simulation diente der Flughafen Düsseldorf. "Wir haben dabei alle erdenklichen Sprachbefehle mit dem Mikrofon gesammelt und außerdem Daten über die jeweilige Situation, etwa Radardaten, zusammengetragen. Dies alles haben wir verschriftet und so übersetzt, dass es der Computer verstehen kann", erklärt der Computerlinguist Dietrich Klakow von der Universität des Saarlandes. Der Lehrstuhl für Sprach- und Signalverarbeitung ist unter seiner Leitung für die Implementierung der Spracherkennung im AcListant zuständig.

Mehr als Keywords

Die Wissenschaftler setzen dabei nicht auf eine "bloße" Keyword-Erkennung. Der wissenschaftliche Mitarbeiter Marc Schulder erklärt den Grund: "Das System muss herausfinden, zu welchem Teil einer Anweisung einzelne Wörter gehören und in welcher Relation sie zum Rest des Satzes stehen. So kann eine Zahl Teil der Kennzeichnung eines bestimmten Flugzeugs, eine Höhenangabe oder die Geschwindigkeit sein." Auch weil Fluglotsen ihre Sätze bis zu einem gewissen Grad variieren können, kann die Software nicht standardmäßig davon ausgehen, dass zum Beispiel ausschließlich auf die Worte "descend" (dt. absinken) und "ascend" (dt. aufsteigen) die Flughöhe folgt. Auch mehrere Kommandos in einem Satz sind möglich. "Hier muss das System anhand der Satzstruktur erkennen, wo der erste Befehl aufhört und der zweite anfängt", sagt Schulder.

In Validierungsrunden erreichte AcListant eine Fehlerquote von zwei Prozent, das bezieht sich auf die Zahl der Befehle, die nicht vollständig korrekt erkannt wurden. "Je nachdem, was der Lotse zum Piloten sagt, kann das System jetzt die möglichen Vorschläge an den Lotsen einschränken und unplausible Handlungsalternativen aussortieren", fasst Klakow den aktuellen Stand zusammen.

Spracherkennung auch für E-Learning

Das DLR hat seinen eigenen Arrival Manager so konfiguriert, dass sich die zusätzliche Spracherkennung implementieren ließ. Die Forscher der Universität des Saarlandes wollen AcListant jetzt so weiter entwickeln, dass er sich auch leicht auf andere Flughäfen anpassen lässt. Auch außerhalb der Welt der Fluglotsen sehen die Sprachforscher ein Anwendungsfeld für ihre Projektergebnisse, etwa im Bereich Computerspiele und E-Learning.

(jle)