Gründerinnen in Deutschland: Die weibliche Startup-Revolution steht noch aus

Startup-Realität 2015: Auch wenn im Internet vieles anders ist, werden junge Internet-Unternehmen mit erdrückender Mehrheit von Männern gegründet. Drei erfolgreiche Gründerinnen erzählen, woran das liegen könnte und was sich ändern müsste.

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Gründerinnen in Deutschland: Die weibliche Startup-Revolution steht noch aus
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Von
  • Stefan Mey
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Nur jeder zehnte Gründer ist eine Gründerin. Dieses Detail aus dem Startup-Monitor des Bundesverbands Deutsche Startups hat Folgen: In den großen und kleinen Internetunternehmen wird es künftig deutlich weniger Chefinnen als Chefs geben. Das Geld aus potenziellen Exits wird vor allem an Männer gehen. Männer werden viel stärker als Frauen die Kultur der zukünftigen Digitalwirtschaft definieren.

Kein Wunder: In einer vom US-Konzern Dell in Auftrag gegebenen Studie zum "Gender-Gap" landet Deutschland nur im Mittelfeld. Im Ranking der Gründerinnen-freundlichsten Länder reicht es immerhin für einen siebten Platz, beim "Geschlechtergerechten Zugang“ zu Ressourcen wie Bildung oder Internet Rang Fünf. Beim "Einstieg ins Unternehmertum“ für Frauen führt die Studie Deutschland nur auf dem 22. Platz.

Gründerin Andera Gadeib empfiehlt Frauen mehr Hartnäckigkeit.

"Wenn wir auf Frauen im Digital-Segment schauen, sind es leider viel zu Wenige, die sich in das Metier vorwagen“, meint Andera Gadeib. Sie ist selbst Gründerin verschiedener Unternehmen, unter anderem der Marktforschungsagentur Dialego und des SaaS-Startups SmartMunk. Zusammen mit anderen Gründerinnen hat Gadeib ein Manifest initiiert, das für einen Wandel im Startup-Ökosystem eintritt. Es wurde von etwa 30 Gründerinnen unterzeichnet und und im März 2015 EU-Digitalkommissar Günther Oettinger auf der CeBIT überreicht.

Die Gründerinnen regen an, Mädchen wie Jungs früh für Technik zu begeistern und Lehrkräfte besser zu qualifizieren. Um politische und ökonomische Rahmenbedingungen zu verbessern, wird ein höherer weiblicher Anteil bei Risikokapitalgebern gefordert sowie ein Innovationsfonds "Women in Tech“. Und um das männlich geprägte Image von Entrepreneurship zu erweitern, sollen erfolgreiche Unternehmerinnen stärker öffentlich sichtbar gemacht werden. Im Gegenzug könnten dann männliche Rollenbilder gezeigt werden, die auch mal zugunsten ihrer erfolgreichen Frauen Familienarbeit übernehmen.

Gadeib glaubt, dass viele Frauen den Schritt zur Gründung nicht wagen, obwohl sie das Zeug dazu haben: "Während der Mann sich ganz selbstbewusst hinstellt und mutig Neues ausprobiert, macht Frau sich viele Gedanken und nimmt sich eine Niederlage sehr zu Herzen.“ Frauen sollten deswegen nicht nur mehr Mut haben, sondern auch mehr Hartnäckigkeit an den Tag legen.

Anders als es manche gut gemeinten Management-Ratgeber empfehlen, hält sie es nicht für zielführend, wenn Frauen einfach Verhaltensmuster von Männern kopieren und etwa besonders tough sind: "Das ist Quatsch und so entsteht auch kein Kulturwandel, weder in der Gründerszene noch in der Wirtschaft allgemein.“ Frauen führen und gründen ihrer Meinung nach anders, nachhaltiger und mit anderen Schwerpunkten. Und man brauche gerade diese unterschiedliche Gründungskulturen.

Andrea Pfundmeier hat mit ihrem Startup Boxcryptor vergangenes Jahr den Deutschen Gründerpreis abgeräumt.

Andrea Pfundmeier hat durchaus den Eindruck, dass derzeit viel getan wird, um die Verhältnisse zu ändern. Sie ist Gründerin des Cloud-Verschlüsselungs-Startups Boxcryptor, das im letzten Jahr mit dem Deutschen Gründerpreis ausgezeichnet wurde. Es gebe viele Netzwerke, Mentoring-Programme und ähnliches. Die vielen Events mit "weiblichen“ Ablegern haben ihr Gutes, manchmal sieht es aber so aus, als ob Frauen damit von den Bühnen der großen Events verdrängt werden. Statt dessen solle darauf hingearbeitet werden, dass bald auch so genügend Frauen auf der Bühne und im Publikum vertreten sind.

Startup-Veranstaltungen seien zudem oft auf männliche Besucher ausgelegt: "Ich war schon auf zahlreichen Startup-Events, auf denen tagsüber gejammert wurde, dass zu wenig Frauen gründen, und am Abend wurde die Häppchen dann von Hostessen in Bikinis und mit Häschen-Ohren serviert. Dass Gründerinnen dann keine Lust haben, sich auf solchen Events zwischen Hostessen und die 90 Prozent männlichen Teilnehmer zu stellen, ist klar.“

Einen Grund für die Geschlechterverteilung bei Gründungen sieht sie in der unterschiedlichen Art zu netzwerken. Zwar seien viele Frauen eigentlich sehr gut darin, hätten dann aber Hemmungen, gezielt auf ihre Netzwerke zurückzugreifen. Stattdessen hätten sie eher das Gefühl ihre Kontakte dadurch "auszunutzen“. Obwohl ihr eigenes Netzwerk sehr viele Frauen umfasst, bitten sie meistens männliche Bekannte um ein Intro zu einem Investor oder Geschäftspartner.

Ihre eigenen Erfahrungen als Gründerin sind fast durchwegs positiv. Es zeigen sich sogar immer wieder Vorteile. In der Pressearbeit beispielsweise werde es honoriert, wenn man nicht "das 08/15-Startup mit einem BWLer und zwei Informatikern“ sei. Allerdings gibt es dann doch auch nervige Momente. Etwa wenn Geschäftspartner oder Kunden am Telefon nach wenigen Sekunden hartnäckig nach einem technischen Ansprechpartner verlangen. Sobald die aber merken, dass sie nicht mit der Sekretärin oder Marketing-Mitarbeiterin sprechen, sondern mit der kompetenten Gründerin, erledige sich das schnell.

Franziska von Hardenberg vom Blumenversand Bloomy Days wittert eine Revolution in der Emanzipation.

Besser als jemals zuvor findet die Situation Franziska von Hardenberg, Gründerin des Online-Blumenversands Bloomy Days, das zuletzt mehrere Millionen Euro Kapital von Investoren eingesammelt hat. Es gebe mittlerweile viele erfolgreiche Frauen, die daran arbeiten, Vorurteile abzubauen und ein modernes Frauenbild zu vermitteln. Dazu gehöre die Vereinbarkeit von Gründungsjob und Familie: "Wichtig ist dabei auch, dass die Familienplanung in die eigene Karriere integriert wird und das es sich nicht mehr ausschließt, Mutter und Chefin zu sein.“ Für neue Möglichkeiten der flexiblen Kinderbetreuung sieht sie gerade in Startups spannende Ansätze entstehen: "Ich habe das Gefühl, dass aktuell eine kleine Revolution in der Emanzipation passiert, und das ist dringend nötig.“

Wir alle müssten aufhören, Frauen als "Randgruppe“ zu betrachten, die es zu unterstützen gilt, meint von Hardenberg. Mit Blick auf die Zukunft ist sie optimistisch: "Ich bin mir sicher, dass es in zehn Jahren völlig normal sein wird, dass viele Unternehmen von Frauen geführt oder auch gegründet werden. Immerhin sind wir doch auch 50 Problem der Bevölkerung.“ Und es wäre ein Verlust, wenn der eigenständige Weg der Frauen nicht weiter gefördert wird.

Von Hardenberg fordert unter anderem eine allgemeine Verbesserung von Gründungsbedingungen für alle: "Man könnte Jahres-Stipendien vergeben zum Beispiel im Wert von 12.000 Euro pro Person. Damit hätte der Gründer 1000 Euro im Monat im ersten Jahr, um Miete und Grundversorgung zu gewährleisten, bis die erste Finanzierung steht.“

Andera Gadeib wünscht sich eine bessere Vermittlung von Gründungskultur von früh auf. Die Wurzel für Entrepreneurship liege im Erlernen von Selbstwirksamkeit, dem Glauben an die eigenen Wirksamkeit, und diese Fähigkeit komme in der Erziehung und im Bildungssystem zu kurz.

Und Andrea Pfundmeier gibt aktuellen und potenziellen Gründerinnen folgendes mit auf den Weg: "Sucht euch Vorbilder, vernetzt euch und macht euch dieses Netzwerk zunutze!“ Und wie von Hardenberg und Gadeib wünscht sie sich mehr weibliche Vorbilder, da sich Frauen nicht unbedingt mit männlichen Rollenbildern identifizieren können: "Als Frau habe ich noch nie gedacht: ,Ich möchte werden wie Mark Zuckerberg'“.

(axk)