Wieviele Bit braucht der Computer?

Systeme mit 64-Bit-Architektur sind schwer in Mode. Aber viel spricht dafĂĽr, dass das nur dem Marketing-Denken der Computer-Industrie geschuldet ist

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Von
  • Simson Garfinkel
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Sind 64-Bit-PCs die Zukunft? Bei all dem Getöse, das derzeit um die neuen 64-Bit-Prozessoren veranstaltet wird, sollte meine Antwort eigentlich ein klares "Ja und zwar sehr bald" sein. Doch trotz des Marketing-Rummels um 64-Bit-Chips wie AMDs Athlon64 hat der Sprung von 32 Bit auf 64 Bit deutlich geringere Auswirkungen, als uns die Computerindustrie erzählen will. Wer kein Macintosh-User ist, wird wohl noch zehn Jahre lang keinen 64-Bit-Rechner brauchen - und vielleicht sogar nie.

Beginnen wir mit einigen Hintergrundinformationen. Die Chips in der großen Mehrzahl heutiger Desktop- und Laptop-Rechner sind 32-Bit-Prozessoren. Die meisten basieren auf Intels unglaublich erfolgreicher IA32-Architektur, die man auch x86 nennt (wie in 286, 386 oder 486). Celerons und Pentiums von Intel sind ebenso IA32-Varianten wie AMDs reguläre Athlon-Chips.

Doch plötzlich sind 64-Bit-Maschinen en vogue. Seit einiger Zeit verkauft AMD Prozessoren, die sowohl 32- als auch 64-Bit-Programmcode ausführen können; Rechner mit diesen Chips können sowohl mit 64-Bit-Linux als auch einer speziellen 64-Bit-Version von Windows XP arbeiten, die Microsoft in diesem Jahr veröffentlichen will. Apple liefert unterdessen all seine neuen Power Mac-Rechner mit dem G5-Chip aus - einem 64-Bit-Prozessor von IBM. Und auf eine gewisse Weise ist das nur eine Aufholjagd: So stieg etwa Nintendo schon 1996 auf 64 Bit um, als es die Nintendo64-Spielekonsole herausbrachte.

Um all diese Dinge zu verstehen, muss man erst einmal verstehen, wofür die Bit-Zahl tatsächlich steht. Computerbauer meinen damit zwei Dinge innerhalb einer Rechnerarchitektur - erstens, wie viele Bit diese Rechner nutzen, wenn sie Informationen im Speicher ablegen; zweitens stehen die Bit für die Registerbreite, die ein Mikroprozessor nutzen kann, um seine mathematischen Operationen durchzuführen. Jedes Bit kann sowohl 1 als auch 0 sein, also können 32 Bit 2 hoch 32 oder auch 4.294.967.296 verschiedene Werte darstellen. Dementsprechend ist der sichtbarste Unterschied zwischen 32-Bit- und 64-Bit-Computern der, dass die 64-Bit-Systeme die wesentlich größeren Maschinen sind. Sie können mehr Speicher adressieren und außerdem mit größeren Zahlen rechnen. Doch "mehr" bedeutet nicht unbedingt auch "besser". Es hängt immer davon ab, was man denn da mehr bekommt.

Der Umstieg von 32 auf 64 Bit ist wichtig, wenn es um die Adressierung von Speicher geht. Ein Programm auf einem 32-Bit-Rechner kann problemlos bis zu 4 Gigabyte an Speicher ansprechen - wir erinnern uns, 2 hoch 32 sind ungefähr 4,3 Milliarden. Ein Programm auf einem 64-Bit-Rechner kann wiederum 2 hoch 64 Adressen ansprechen - also vier Milliarden mal vier Milliarden Bytes, eine erstaunlich große Zahl. Diese Werte zeigen einem sofort, dass einem 64-Bit-System deutlich mehr Expansionsraum bleibt. Aber diese Fakten verwirren auch reichlich, wie wir noch sehen werden.

IBMs erster Personal Computer, der "Original-PC", benutzte einen Intel 8088-Prozessor - einen kleinen Chip mit merkwürdigen ingenieurtechnischen Kompromissen. Intern war der 8088 ein 16-Bit-Prozessor: Er hatte 16-Bit-Mathematik-Register, konnte also Zahlen zwischen 0 und 65.535 (oder zwischen -32778 und 32767) darstellen. Außerdem ließen sich über sein 16-Bit-Adressregister problemlos bis zu 64 Kilobyte Hauptspeicher ansprechen. 64 Kilobyte reichten natürlich für fast nichts - selbst 1981, als der Ur-PC das erste Mal auf den Markt kam. Deshalb hatte der 8088 mehrere so genannte Segment-Register, die die Anzahl der Adressregister um 4 Bit erhöhten, bevor der Speicher überhaupt beschrieben oder gelesen wurde. So konnte der 8088 bis zu einem Megabyte an Hauptspeicher ansprechen.

Ein Megabyte war damals viel RAM und die Entwickler dachten nicht, dass ein Heim- oder Business-User jemals so viel Speicher brauchen würde - oder ihn sich überhaupt leisten könnte. Deshalb zogen die IBM-Designer eine Begrenzungslinie quer durch die Speichertabelle ihres Rechners und setzten den Videospeicher mitten in die obere Hälfte. So war der Hauptspeicher eines PCs effektiv auf 640 Kilobyte RAM beschränkt. So entstand auch das so genannte 640K-Limit, das auch im DOS-Betriebssystem steckte.

Ein paar Jahre später stellte Intel seinen nächsten Mikroprozessor vor, den 80286 (Der 80186 schaffte es nie wirklich in einen PC). Der 286 war die Basis für IBMs PC/AT. Er besaß einen Emulationsmodus, den so genannten "Real Mode", mit dem er die gleiche Software wie der 8088 laufen lassen konnte. Außerdem besaß er einen fortschrittlicheren Modus, den so genannte "Protected Mode", der mit bis zu 16 Megabyte RAM arbeiten konnte. Die große Mehrheit dieser Rechner lief im Real Mode, mit dem man Microsofts DOS und all seine alten Original-PC-Programme laufen lassen konnte. Der 286 war als Plattform für 8088-Software beliebter als der 8088 selbst - er war viel schneller. Nur die wenigstens 286-Chips liefen also tatsächlich im neuen Protected Mode.