Das Zeitalter des Bio-Computing
Das nichtkommerzielle Unternehmen SRI International hat sich seinen Namen mit IT-Forschung gemacht. Doch es ist seit langem auch in der Biologie aktiv - dem nach Ansicht seines Chefs spannendsten Fachgebiet ĂĽberhaupt.
- Sascha Mattke
Curtis R. Carlson ist ausgebildeter Physiker, doch heute bezeichnet er die Biologie als das "derzeit aufregendste Fachgebiet der Welt". Unter der Führung von Carlson hat das Nonprofit-Forschungsinstitut SRI International, das vor allem für seine Computerforschung weltberühmt ist, mehr und mehr Ressourcen in die Biomedizin-Forschung gesteckt. Mit Technology Review sprach Carlson über die Biotech-Forschung des SRI und das einzigartige Innovationsmodell des Instituts, das die Medizin voranbringen könnte.
Technology Review: Das SRI ist fĂĽr seine Arbeit im Computerbereich, insbesondere im Sektor der kĂĽnstlichen Intelligenz, bekannt. Die Biotech-Forschung blieb aber fast unsichtbar ...
Carlson: Das mag fĂĽr die Privatwirtschaft so stimmen. Wir waren in dem Bereich aber schon immer aktiv. Das SRI ist 57 Jahre alt und wir waren die meiste Zeit davon Auftragnehmer der US-Nationalinstitute fĂĽr Gesundheit. Wir wurden gegrĂĽndet, um die FirmengrĂĽndungen im Westen voranzubringen und dabei zu helfen, das zu entwickeln, was schlieĂźlich zum Silicon Valley wurde. Wir arbeiteten anfangs zumeist mit der Industrie zusammen - bei vielen groĂźen Projekten. Bereits kurz nach unserer GrĂĽndung starteten wir unsere Life-Sciences-Gruppe, aus der dann schlieĂźlich eine umfassende Medikamentenentwicklung wurde. Wir machen Medikamentenforschung, vorklinische Entwicklung und mit Partnern auch klinische Tests. Wir haben derzeit eine Pipeline, um die uns die meisten mittelgroĂźen Pharmaunternehmen beneiden wĂĽrden.
Technology Review: Wie viel Forschung des SRI läuft im Bereich der Biomedizin?
Carlson: Der Anteil entspricht inzwischen fast einem Viertel unserer Tätigkeit. Und er wächst sehr schnell.
Technology Review: Es heiĂźt, dass das letzte Jahrhundert der Informationstechnologie war und wir jetzt im Biotech-Jahrhundert sind. Was halten Sie von dieser Aussage?
Carlson: Daran glauben wir sehr. Es ist nicht nur die Biologie an sich, es sind all die Dinge, die die Biologie inspiriert - Biomaterialien, Biogeräte, Biosensoren und Bioinformatik. Besonders die Biocomputing-Technik ist wohl der interessanteste Teil. Es wird noch lange dauern, aber wir bewegen uns langsam in Richtung des alten Traums, unser Genom zu kennen. Von da aus kann man die entsprechenden Wechselwirkungen erkennen und dann mit den richtigen Werkzeugen Bereiche mit Problemen identifizieren. Es wird schrittweise gehen, aber das sind sehr spannende Aussichten.
Technology Review: Wie bringt das SRI diese Sache voran?
Carlson: Die Zukunft der Biologie ist die Informationsverarbeitung: Genomdaten werden benutzt, um biomolekulare Signalwege abzuleiten und Ansätze für neue Therapieformen zu finden. Wir haben beispielsweise ein breites Programm aufgelegt, um Stoffwechsel-Wege zu erfassen. Es wird von Peter Karp geleitet, einem Pionier auf dem Gebiet. Wir haben bereits 13 Organismen kartografiert, und nun arbeitet Peter mit dem menschlichen Stoffwechsel, den er HumanCyc nennt.
Das zweite Programm, das wir aufgelegt haben, ist ein Projekt für den Bau einer Workstation, die all diese Daten zusammenbringen, austauschen, bearbeiten und und weitergeben kann. Dieses Projekt nennt sich BioSpice. Es heißt so, weil es eine analoge Softwareumgebung namens Spice für IC-Designer gibt - aus der Ferne gesehen sieht ein biologischer Signalweg so ähnlich aus wie das Schaltdiagramm eines sehr komplizierten Chips. Hat man erst einmal diese Pathway-Diagramme, muss man als Nächstes ihre Funktion finden. Wir entwickeln derzeit ein Werkzeug, mit dem es möglich wird, die Daten zu betrachten und dann zu fragen, welche Funktionen hier ablaufen. Wir nennen dies Pathway-Logik. Ist da beispielsweise eine Uhr, ein Oszillator oder ein Verstärker zu sehen?