Offline im Irak

"Wir wussten nichts, bis sie losgeschlagen haben." So beschreibt ein US-Oberstleutnant die Situation im Irak. Dabei wurden die amerikanischen Soldaten in noch nie da gewesenem Maß von Hightech unterstützt

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • David Talbot

Die US-Truppen im Irak wurden von Technik unterstützt wie noch nie: Hunderte von unterschiedlichen Sensoren erfassten das gesamte Land. US-Kommandeure in Katar und Kuwait verfügten über 42 mal so viel Bandbreite zur Kommunikation wie im ersten Golfkrieg. Schnelle Datenverbindungen hielten den Kontakt zu Aufklärungstruppen vor Ort. Über ein neues System ließen sich die Positionen wichtiger Einheiten verfolgen.

Aber an der Front musste Oberstleutnant Ernest Marcone, Bataillonskommandant der Dritten Infanteriedivision, beim Kampf um eine strategisch wichtige Brücke (Codename. Objective Peach) zum Flughafen Bagdad, fast völlig ohne Informationen über Stärke und Position der Iraker auskommen. Eine einzelne irakische Brigade bewege sich vom Flughafen aus in Richtung Süden, wurde ihm gemeldet. Doch nicht eine Brigade, sondern drei, dazu 25 bis 30 Panzer plus 70 bis 80 gepanzerte Transporter, Artillerie und zwischen 5000 und 10 000 irakische Soldaten, die aus drei Richtungen auf ihn zurückten - genau die Art von konventioneller Schlagkraft, die eigentlich am leichtesten zu entdecken ist.

Objective Peach war nicht untypisch für eine Reihe von weiteren Vorkommnissen im Irak-Krieg. Denn ein entscheidender Knoten des US-Aufklärungsnetzes fiel schlicht weg: die Truppen an der Front. Das geht aus einem größtenteils geheimen Report des Think-Tanks RAND hervor, den Technology Review als Zusammenfassung einesehen konnte. Die Hauptquartiere der US-Armee in Katar und Kuwait bekamen reichlich Daten - tatsächlich sogar so viele, dass sie zeitweilig den Empfang abstellen mussten. Doch in der Wüste herrschte Datenmangel. Downloads dauerten Stunden. Software hängte sich auf.

Der Irak-Krieg war ein erster Test auf dem Weg zur vernetzten Armee. Die US-Offensive beruhte auf der Annahme, dass luftgestützte Sensoren die Kampftruppen am Boden unterstützen können. Kommunikationsverbindungen sollten die Fahrzeuge untereinander und mit den Kommandeuren in Kontakt halten. Große Datenmengen, etwa in Form von Satelliten- oder Spionageflugzeug-Bildern, sollten über ein Mikrowellen-System transportiert werden. Aber in der Praxis bewegten sich die Einheiten dafür zu schnell und zu weit voneinander weg. In drei Fällen wurden US-Fahrzeuge sogar angegriffen, während sie anhielten, um Informationen über feindliche Stellungen zu empfangen.

Manche Verteidiger der Transformation argumentieren, dass das IT-Netz im Irak einfach nicht vollständig gewesen sei - weil es analog zu altmodischen Befehlsstrukturen entworfen wurde. Sensor-Informationen wurden entlang der Kommandokette nach oben geschickt und Kommandanten gaben Befehle nach unten. Das Ergebnis: Verzögerungen und ein Aufschaukeln einzelner Kommunikationsausfälle. Besser wäre es, sagen manche, wenn Information und Entscheidungsfindung horizontal angelegt gewesen wären - genauso ging das US-Militär im Afghanistan-Krieg im Jahr 2001.

Die Berichte aus Afghanistan und dem Irak erzählen viele Geschichten. Aber eines ist klar: Marcone wusste nicht, was bei Objective Peach auf ihn zukam - modernste Sensoren und Kommunikationstechnik schafften es nicht, ihn vor einer konventionellen massiven Attacke zu warnen. Im Kampf um die Brücke wurden Marcone und seine Männer nicht von Information geschützt, sondern durch schnöde Panzerung.

(Zusammenfassung aus Technology Review Nr. 11/2004; das Heft mit dem vollständigen Artikel können Sie hier bestellen) (sma)