Neues Angebot für Verbraucher-Genetik

Wie gesund ist meine Familie und welche Krankheitsrisiken stecken in ihr? Diese Frage kann man jetzt im Internet beantworten lassen. Das Unternehmen dahinter will mit anonymisiertem Datenverkauf Geld verdienen.

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  • Anna Nowogrodzki

Wie gesund ist meine Familie und welche Krankheitsrisiken stecken in ihr? Diese Frage kann man jetzt im Internet beantworten lassen. Das Unternehmen dahinter will mit anonymisiertem Datenverkauf Geld verdienen.

Mitte Juli hat das US-Unternehmen Ancestry seine Website AncestryHealth freigeschaltet. Wenn 23andMe auf diesem Markt Apple ist, dann ist Ancestry hier Microsoft – vielleicht nicht so innovativ wie der Konkurrent, aber immer noch ein ernst zu nehmender Wettbewerber.

Ancestry ist seit 2012 auf dem Gebiet der DNA-Analysen für Verbraucher tätig. Damals brachte das Unternehmen AncestryDNA auf den Markt, einen Speicheltest für 99 Dollar, der Informationen über die genetische Herkunft und entfernte Verwandte liefert. 23AndMe bot zu dieser Zeit schon seit fünf Jahren ähnliche DNA-Testkits an.

Gegründet wurde Ancestry 1983 als Verlag für genealogische Bücher und Magazine und bewegt sich seitdem durch die sich stetig veränderte Geschäftslandschaft. Im Jahr 1996 startete das Unternehmen eine kostenpflichtige Website für Ahnenforschung und wurde dadurch kurze Zeit zu einem der Wagniskapital-Lieblinge im ersten Dotcom-Boom. Die Mehrheit von Ancestry, das den Großteil seines Umsatzes immer noch mit Genealogie-Abonnenten macht, gehört heute der Private-Equity-Firma Permira.

Bei der Verbraucher-Genetik hat Ancestry gegenüber 23andMe einen Vorteil: Es verfügt bereits über Millionen von Familienstammbäumen seiner Kunden. Das lässt sich für den neuen kostenlosen Dienst AncestryHealth konkret nutzen: Familien-Daten von Ancestry und genetische Daten von AncestryDNA sollen hier zu einem vollständigen Bild der Gesundheitsgeschichte einer Familie beitragen.

Die Familiengeschichte ist oft das Erste, nach dem Ärzte fragen, um das Gesundheitsrisiko eines Patienten einzuschätzen. AncestryHealth setzt darauf, dass die Leute diese Geschichte lieber von einer kostenlosen Website ausdrucken wollen, als fünf Minuten vor dem Arzttermin ihr Gedächtnis nach halb vergessenen Details zu durchwühlen.

Darüber hinaus will Ancestry Daten für medizinische Forschungszwecke verkaufen. "Wir sind definitiv in Gesprächen mit unterschiedlichen Gruppen, um den Wert und das Interesse an den Informationen für medizinische Forschung herauszufinden", sagt Ken Chahine, Executive Vice President und Geschäftsführer von AncestryDNA und AncestryHealth. Wenn Daten verkauft würden, dann "anonymisiert, zusammengefasst und unidentifizierbar", sagt er. Selbst ein Einbruch in die Datenbank würde nach seinen Worten kaum Informationen liefern. 23AndMe nutzt seine Gendaten bereits, um eigene Medikamente zu entwickeln, wie es diesen März bekanntgab.

Wenn die Daten zur Forschung genutzt werden, wirft das die Frage auf, ob man einen Verbraucher informieren müsste, wenn in seinen Daten ein hohes Krankheitsrisiko entdeckt wird. "Mit dem Segen der FDA und der Aufsichtsbehörden würden wir mit solchen Kunden gern kommunizieren, entweder über Ärzte oder über genetische Berater", sagt Chahine.

Im Februar hat die US-Gesundheitsbehörde FDA die Tür einen Spalt geöffnet und 23andMe erlaubt, einen Gentest auf das Bloom-Syndrom direkt an Verbraucher zu verkaufen. Je nachdem, was die Behörde weiter für Signale sendet, könnten sowohl Ancestry als auch der Konkurrent dazu übergehen, ihre Tests auf bestimmte Krankheiten zuzuschneiden.

Zusammen mit dem Start von AncestryHealth meldete AncestryDNA seine millionste DNA-Probe – kurz nach 23andMe, das diese Marke einen Monat früher erreicht hatte. Der Markt scheint beiden Unternehmen einen hohen Wert beizumessen: Für 23andMe wurde jüngst eine Bewertung von 1 Milliarde Dollar gemeldet, und die Eigentümer von Ancestry haben im Mai laut Reuters einen Verkauf des Unternehmens für 2,5 bis 3 Milliarden Dollar erwogen. (sma)