Der Traum vom Roadcasting

Podcasting war gestern. Ad-hoc-Netzwerke bringen geteilten Musikgenuss auf die Straße.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Eric Hellweg
Inhaltsverzeichnis

Das Quicktime-Werbevideo für das "Roadcasting"-Projekt beginnt mit dem Schwarzweiß-Bild eines Autofahrers, der frustriert und gelangweilt dreinblickt. Dann beginnt der Erzähler: "Jeder kennt die Probleme des alten Radios: Endlose Werbeblöcke, ständig die gleichen Songs und dann das Problem, wirklich das zu finden, was einen interessiert. Darum willkommen zur nächsten Generation des Radios: Roadcasting!"

Die traditionelle US-Radioindustrie kämpft bereits an verschiedenen Fronten: Da wäre zum einen der sich in Nordamerika mehr und mehr durchsetzende Satellitenfunk, zum anderen die schnell anwachsende, junge Podcasting-Community im Internet. Nun kommt die nächste technologische Innovation, über die sich die Branche Sorgen machen muss.

Das Roadcasting-Konzept wurde von einem Team aus fünf Studenten der Carnegie Mellon University entwickelt. Ihr Projekt, das im Rahmen des "Human-Computer Interaction Institute Masters Program" lief, wurde von General Motors gesponsert. Laut einer Firmensprecherin geht es dabei um drei Bereiche: Ad-Hoc-Mesh-Computernetze, personalisierbare digitale Musik und Open-Source-Software. Während die Hardware-Elemente, also die Netzwerk-Geräte, das Touch-Screen-Interface und das Radio selbst, noch entwickelt werden müssen, kann die Software bereits verwendet werden -- sie steht Open-Source-Fans auf der ganzen Welt zur Verfügung.

Der einfachste Modus der Software ermöglicht es den Benutzern, ihre eigenen Radiostationen zu bestücken -- dazu werden Playlists auf der Festplatte der Hifi-Anlage des Autos deponiert. Die echte Innovation kommt in's Spiel, sobald die Playlist fertig ist: Ist ein Fahrer unterwegs und hört die Musik seiner Wahl, werden die Songs gleichzeitig an andere mit Roadcasting ausgestattete Fahrzeuge gesendet. Wird dem Nutzer seine persönliche Playlist zu langweilig, scannt die Software nach anderen Roadcast-Stationen in der Nähe. Mittels kollaborativer Filter wird es möglich, automatisch Musik nach dem Geschmack des Nutzers zu finden. Gesucht werden kann nach Bands, Genres und Songtiteln. Die Playlists anderer Benutzer lassen sich vollständig durchstöbern.

Nehmen wir beispielsweise an, Heather steigt am Morgen in ihr Auto und entscheidet sich, dass sie im Stau ein bisschen Death Metal hören will. Mittels Touchscreen wählt sie ihre Lieblingsbands und Lieblingstitel aus ihrer eigenen Bibliothek. Dann gibt sie ihrer "Station" noch ein Icon und benennt sie, fährt dann los. John, ein ebenfalls entnervter Im-Stau-Steher und ebenfalls Death-Rock-Fan, wird von seinem Roadcasting-System alarmiert, dass eine neue Station mit ähnlicher Musik in der Nähe empfangbar ist. John kann sie dann anhören und sieht auch ihren Stationsnamen und ihr Icon. Sollten ihm einzelne Songs nicht gefallen, kann er sich in Heathers Playlist vor und zurück bewegen.

Bevor Roadcasting funktioniert, könnte es aber noch etwas dauern: Vorher müssen sich jene Mesh-Netzwerke noch weiter entwickeln, die aus kleinen, kostengünstigen Sendern bestehen, die an anderen Geräte hängen und kaum mehr Intelligenz als die Möglichkeit zur Verbindung mit anderen Komponenten in der Nähe besitzen.