eTextile Summer Camp 2015

Seit vier Jahren organisieren Mika Satomi und Hannah Perner-Wilson im Sommer ein eTextiles-Camp, bei dem sich Wearables-Fachleute aus der ganzen Welt eine Woche lang ihrem Lieblingsthema widmen: Elektronische Schaltkreise in Textilien integrieren.

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Blick in das Paillard Centre d’Art Contemporain & Residences d’Artistes

(Bild: Joanna Bletcher)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Joanna Bletcher

»Dieses Jahr war das Thema ›Geek Out!‹ «, sagt Mika Satomi, Organisatorin des eTextile Summer Camp, »also lassen wir uns hier nerdmäßig so richtig gehen!«.

Es ist das dritte Jahr, in dem die Camper im Paillard Centre d’Art Contemporain & Residences d’Artistes residieren – einer ehemaligen Papiermühle aus dem 18. Jahrhundert im verschlafenen Örtchen Poncé-sur-le-Loir im Nordwesten Frankreichs. Die Mühle dient heutzutage dazu, zeitgenössische Kunst und Performance in diese ländliche Region Frankreichs zu bringen. Das Konzept geht auf: Die Vernissage der diesjährigen eTextiles-Ausstellung Cuvée 2015 war außerordentlich gut besucht und das Publikum sehr interessiert daran, mehr über das hybride, interaktive Gebiet der e-Textilien herauszufinden.

eTextile Summer Camp 2015 (7 Bilder)

Ein Besucher der Cuvée 2015 begutachtet Imogen Heap’s Sound Reactive Bolero von Rachel Freire und Hannah Perner-Wilson.  Auf dem Bolero sind unzählige LEDs direkt auf altem, leitendem Goldgarn angebracht. Drei Arduinos steuern jeweils bis zu 20 LEDs an – je lauter die Umgebungsgeräusche sind, desto mehr LEDs leuchten auf.
(Bild: Joanna Bletcher)
Mode trifft Elektronik

Es muss nicht immer der Lötkolben sein: Auch mit einer Nähnadel lassen sich Schaltkreise bauen. Mit etwas Elektronik wird Kleidung interaktiv.

Zum dritten Mal wurde Paillard für eine Woche zur Heimat einer bunten, internationalen Mischung aus Designern, Makern, Pädagogen, Hackern, Künstlern und Forschern, allesamt Experten für elektronische Textilien und Soft Circuitry. Insgesamt fand die Veranstaltung dieses Jahr zum vierten Mal statt - mit sechsunddreißig Teilnehmern bisher das größte Camp. Mika erklärt, dass es ursprünglich dazu dienen sollte, praktische Fertigkeiten in diesem wachsenden Bereich weiterzugeben. »Wir hatten das Gefühl, dass es Zeit für einen fortgeschrittenen Workshop war, in dem sich Experten zusammenfinden und bisher unbekanntes Wissen und Praxistipps austauschen. So konnte man sich treffen und gemeinsam Erfahrung sammeln.« Dieses Jahr bildeten sich in den Wochen vor dem Camp online sieben verschiedene Gruppen, in denen erste Ideen gesammelt wurden. In Frankreich konnte dann gleich losgelegt werden.

Das Team "Geek Out: Printing" nutzte seine Zeit, um eine mobile Smart Printing-Einheit zu erstellen. Die Gruppe verbrachte die Woche damit, Stoffe mit thermochromischer, hydrochromischer, elektrisch leitfähiger und photosensitiver Tinte zu bedrucken und mit 3D-Druck auf Lichtleitkabeln zu experimentieren. Alle Muster, die durch die Kombinationen verschiedener Techniken und Materialien entstanden, hat das Printing-Team fein säuberlich archiviert und plant, einige Ideen weiterzuentwickeln. In Kürze werden die Teilnehmerinnen der Gruppe auf der Webseite von Bare Conductives ein Online-Tutorial zur Herstellung von Näherungssensoren veröffentlichen.

Die Ergebnisse des "Geek out: Printing"-Teams: Wie verhalten sich verschiedene Schichten reaktiver und dreidimensionaler Materialien zueinander?

(Bild: Judit Eszter Kárpáti)

Nachmittags hört man überall im Hauptarbeitsbereich das metallische Klackern und Klappern von Strickmaschinen, die gehackt wurden, um Druck- und Zugsensoren herzustellen. Die Strick-Gruppe setzte auf Mikro-Kollaborationen. Sie wurde eine zentrale Anlaufstelle für all die anderen Gruppen, die dort neue Ideen testen und Techniken ausprobieren konnten, wie zum Beispiel das Stricken mit Kupferdraht, der unter der Belastung durch die Strickmaschine gerne bricht oder knickt. Am letzten Tag stellte jeder Strickende seine Projekte vor, wobei das besondere Interesse Jesse Seays funktionierenden, gestrickten Lautsprechern galt, die sie bei Instructables beschreibt.

Jesse Seays gestrickte Lautsprecher - statt einer kreisförmigen Spule zwischen den zwei Magnetpolen verwendet die Künstlerin mehrere Stränge Kupferlackdraht, die über einen dipolaren Festplattenmagnet gelegt werden.

(Bild: Joanna Bletcher)

Im Team ›Go small, go wireless‹ ging es deutlich ruhiger zu als bei den Strickmaschinen. Sie versuchten, ein drahtloses Netzwerk mit Hilfe der ESP8266 Wireless Chips (vor allem dem ESP-12 und dem ESP-1) einzurichten. Diese IoT-Chips sind wesentlich günstiger als Mikrocontroller, die bisher hauptsächlich dafür eingesetzt wurden, Wearables drahtlos zu steuern. Das Camp bot die Möglichkeit, sich in Ruhe mit den Möglichkeiten der Chips zu befassen. Ein Ziel war, sich zu überlegen, wie sie sich im Rahmen einer Performance einsetzen ließen. Am Ende der Woche zeigte die Gruppe funktionierende Prototypen, ein paar ungewöhnliche Darstellungen halfen zur Veranschaulichung von Netzwerk-Grundlagen. Die Ergebnisse präsentierten sie den übrigen TeilnehmerInnen in Form eines Freestyle-Vortrags. Eine ausführliche Anleitung zur Nutzung der ESP8266-Chips findet man auf der Webseite des Camps.

Der Textil-Breakout eines ESP-12.

(Bild: Mika Satomi)

Während drahtlose Netzwerke für den einen oder anderen vielleicht ein wenig zu technisch waren, waren alle von den ›Tools for Practitioners‹ beeindruckt. Als Maker haben wir alle unsere Lieblingswerkzeuge. Aber Hannah Perner-Wilson (aka The Tool Tailor) und Irene Posch wollten sich weitergehende Gedanken über Werkzeuge machen, die spezifisch auf die Anforderungen des eTextiles-Praktikers zugeschnitten sind, und diese dann auch herstellen. Irene stellte einen Satz von Prototypen für textile Messspitzen vor, bei denen die klassischen Funktionen eines Trennmessers, einer Pinzette oder einer Häkelnadel mit den elektronischen Funktionen eines Multimeters kombiniert wurden. Das erleichtert die Arbeit mit textilen Materialen und hat das Potenzial, Leute mit eher klassischen Textilverarbeitungskenntnissen in die Welt der Elektronik einzuladen. Das Team arbeitete mit Mika und Ebru Kurbak an einer neuen Site toolswewant.at. Im Geist des Wissensaustauschs, der das Summer Camp beherrscht, hoffen sie, dass ihre Faszination für das Hacken und Anpassen von Werkzeugen auch die Maker-Gemeinschaft erreicht und sie in neue Gebiete führt.

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Wie sieht es mit dem nächsten Jahr aus? »Solange ich dabei sein will, werde ich es auch organisieren«, sagt Mika. Aber vielleicht sind jetzt erst einmal ein paar Tage Erholung nötig, bevor die Planung wieder beginnen kann … (esk)