Vorratsdatenspeicherung: Ex-Richter warnt vor "Totalüberwachung"

Der Jurist Kurt Graulich ist Sozialdemokrat und soll die NSA-Selektorenliste für die Bundesregierung prüfen. Deren Projekt Vorratsdatenspeicherung hält der Jurist für den "Neustart der Geisterfahrer".

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NSA Selektorenliste
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Von
  • Detlef Borchers

Die geplante Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung hält der ehemalige Bundesrichter Kurt Graulich für einen "Neustart der Geisterfahrer" in der Bundesregierung. In einem Beitrag für das Magazin Vorgänge (leicht gekürzte Online-Fassung bei Netzpolitik.org) kritisiert Graulich die Vorratsdatenspeicherung als unverhältnismäßig.

Besonders heftig kritisiert Graulich die Verfasser des Gesetzentwurfes, die keine Begründung für das Gesetz geben, sondern auf "Karlsruhe" warten: "Eine Politik ist einem freiheitlichen Rechtsstaat nicht angemessen, die ihre Macht dazu nutzt, das Datennetz so lange enger zu schneidern, bis es in die Substanz einschneidet." Diese Breitseite gegen die von Justizminister Heiko Maas (SPD) eingebrachte Gesetzesnovelle ist pikant: Der Sozialdemokrat Graulich wurde von der Bundesregierung mit der Prüfung der NSA-Selektorenliste betraut.

Die Speicherung und Auswertung von Standortdaten der Mobilfunkteilnehmer lässt die Erstellung von Bewegungsprofilen zu und enthält wichtige Momente der vom Bundesverfassungsgericht inkriminierten Totalüberwachung", fährt Graulich fort. Die so ermittelten Standortdaten seien mithin kein Ergebnis einer individuellen Observation Verdächtiger, "sondern einer Form von staatlich instrumentalisierter 'Selbstüberwachung' mit Hilfe des eigenen Mobilfunkgerätes. Dies widerspricht dem allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsatz, dass niemand sich selbst belasten muss".

Die in dem Gesetzentwurf vorgeschlagene zehnwöchige Speicherung von Verkehrsdaten ist für Graulich unverhältnismäßig und sogar überflüssig, da diese Speicherfrist "die aus betrieblichen Gründen beobachtbaren Speicherzeiten bei den TK-Dienstleistern nicht wesentlich, wenn überhaupt übersteigen". Außerdem könne der Staat diese riesige Menge von Telekommunikationsdaten nicht wirksam vor Hackern und Geheimdiensten schützen.

Graulich betont, dass die Bundesregierung nach fünf Jahren ohne die verdachtsunabhängige Speicherung keine Schutzlücken benennen konnte, die vom neuen Gesetz abgedeckt werden. Somit fehle es an der juristisch gebotenen Erforderlichkeit, überhaupt ein solches Gesetz einzubringen. (vbr)