Europas erfolgreiches Debüt in der Monderkundung

Nach drei Jahren neigt sich die Mission der Mondsonde Smart-1 dem Ende zu. Sie zeigte nicht nur, wie Ionenantriebe das Verlassen der Erdumlaufbahn ermöglichen – ihre Instrumente könnten für die ESA auch zum Verkaufsschlager für künftige Missionen werden.

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Von
  • Keno Verseck

Klein, billig, aber innovativ und effektiv, lautet das Motto der europäischen Raumfahrtagentur bei der Erforschung des Sonnensystems. Unter diesen Vorzeichen stieg die ESA vor drei Jahren mit der Sonde Smart-1 in die Mondforschung ein - bis dahin eine Domäne der US-Amerikaner und Russen. Das Ziel der nur 370 Kilo schweren und einen Kubikmeter großen Sonde: Tests neuer Antriebs-, Navigations- und Kommunikationstechnologien wie auch die Erprobung stark miniaturisierter wissenschaftlicher Instrumente.

Nun geht die ehrgeizige Mission, deren Name für "Small Mission for Advanced Research and Technology" (Smart) steht, ihrem Ende entgegen: Am 3. September soll Smart-1 kontrolliert auf die Mondoberfläche stürzen. Obwohl die letzten Experimente noch ausstehen und die Aufarbeitung der wissenschaftlichen Daten noch Jahre dauern wird, zieht der Projektleiter Bernard Foing schon jetzt eine positive Bilanz: "Smart-1 war ein wirklich großer Erfolg und hat unsere Erwartungen um einiges übertroffen."

Wichtigstes Ziel der mit 110 Millionen Euro durchaus billigen Mission war der Test des Ionen-Antriebs. Es war nicht nur das erste Mal, dass die europäische Raumfahrtagentur ESA bei einer Raumfahrtmission ein Ionentriebwerk verwendete. "Wir sind auch die ersten, die ein Ionentriebwerk benutzt haben, um aus einer Erdumlaufbahn in den interplanetaren Raum zu kommen", so Bernard Foing.

Bisher wurden Ionentriebwerke nur als Lageregelungstriebwerke in einigen wenigen erdnahen Kommunikationssatelliten sowie bei der US-amerikanischen Experimentalsonde Deep Space 1 getestet, wobei letztere auf ihre interplanetare Bahn mit einem herkömmlichen chemischen Triebwerk gelangte.

Der Ionenantrieb ist eine theoretisch seit Jahrzehnten bekannte, aber bislang in der Raumfahrt noch kaum genutzte Technologie. Beim Ionen-Rückstoß-Prinzip werden Atome des Edelgases Xenon ionisiert, also elektrisch positiv geladen, und dann mit hoher Geschwindigkeit - bis zu 40 Kilometer pro Sekunde - aus einem Triebwerk herausgeschleudert.

Ein Antrieb, der sehr effektiv ist: Um denselben Schub zu erreichen wie ein herkömmliches chemisches Triebwerk, verbraucht ein Ionentriebwerk etwa zehnmal weniger Treibstoff. Da chemischer Treibstoff bei Raumfahrzeugen einen der größten Gewichtsfaktoren ausmacht und jedes ins All transportierte Kilogramm hunderttausende von Euro kostet, könnten Ionentriebwerke in Zukunft vielfach Anwendung finden.

Der Nachteil eines solchen Triebwerks: Es beschleunigt nur extrem langsam und benötigt Wochen oder Monate, um auf eine Geschwindigkeit zu kommen, die ein herkömmliches chemisches Triebwerk in Minuten oder Stunden erreicht. Denn der Schub, der durch den austretenden Ionengasstrahl erzeugt wird, entspricht lediglich dem Druck, das ein Blatt Papier ausübt, wenn es auf einer Handfläche liegt.

Deshalb konnte Smart-1 den 385.000 Kilometer langen Weg zum Mond auch nur im Schneckentempo zurücklegen. Was die Apollo-Astronauten in drei Tagen schafften, dafür brauchte die ESA-Sonde immerhin 14 Monate. Infolge der geringen Beschleunigung konnte Smart-1 den Weg zum Mond auch nicht direkt, sondern nur in Form einer Spirale zurücklegen: Die Sonde zog langsam immer größere Bahnen um die Erde und näherte sich dabei dem Mond. Schließlich wurde sie von dessen Anziehungskraft eingefangen und schwenkte dabei in eine elliptische, polare Mondumlaufbahn ein.

Unterwegs gab es immer wieder Probleme: Dutzende Male schaltete sich das Ionentriebwerk einfach ab, mehrmals brach der Kontakt zur Sonde völlig ab, so dass Ingenieure sie erst einmal mit großen Aufwand orten mussten. Die Ursache lag im Van-Allen-Strahlungsgürtel, eine Zone hochenergetischer Teilchen, die die Erde in Form einer Ringwulst umgibt. Der Van-Allen-Gürtel erstreckt sich in einer Höhe von etwa 1.000 bis 45.000 Kilometern über der Erde und besteht hauptsächlich aus geladenen Teilchen des Sonnenwindes und der kosmischen Strahlung, die vom Erdmagnetfeld eingefangen werden.

In etwa 6.000 und 20.000 Kilometern Höhe über dem Äquator liegen die beiden besonders strahlungsintensiven Bereiche des Van-Allen-Gürtels. Während des langsamen Fluges von Smart-1 durch diese Bereiche induzierten energiereiche Protonen immer wieder Spannungsspitzen in den Stromkreisen der empfindlichen Raumsonden-Elektronik; der Computer schaltete daraufhin den Motor automatisch ab. "Es hat drei Monate gedauert, bis wir aus dieser Zone heraus waren", erinnert sich Johannes Schoenmaekers, einer der Steuerungstechniker von Smart-1, "und es war ein ziemlich großer Aufwand, die Probleme in der Elektronik zu beheben. Aber letztlich hat der Motor ja bis zum Ende funktioniert."

Wegen des erfolgreichen Tests, so Bernard Foing, würden Ionentriebwerke nun voraussichtlich auch bei weiteren ESA-Forschungsmissionen eingesetzt werden, so etwa bei der BepiColombo-Sonde, die 2013 zum Planeten Merkur starten soll, und beim Solar Orbiter, einer Sonnenmission, die für 2015 geplant ist.

Auch Tests zur Kommunikation per Laser verliefen zur Zufriedenheit der Smart-Mitarbeiter. Ziel dabei war, einen von der Bodenstation auf der Kanareninsel Tenerifa ausgesandten Laserstrahl so zu lenken, dass AMIE, die ultrakompakte elektronische Kamera an Bord von Smart-1, diesen würde registrieren können.

Erprobt wurde die Technologie bisher erst mit dem experimentellen ESA-Kommunikationssatelliten Artemis, nicht aber mit einer Raumsonde. "Es ist schwierig, den Laserstrahl auf so ein weit entferntes, sich schnell bewegendes Objekt auszurichten", sagt Bernard Foing. "Dafür aber kann ein Laserstrahl, wie jede optische Kommunikation, weit mehr Informationen übermitteln als Radiowellen."

Auch in wissenschaftlicher Hinsicht verspricht die Smart-1-Mission ein Erfolg zu werden, zumal die ursprünglich auf sechs Monate angelegte Untersuchung des Mondes um insgesamt ein Jahr verlängert wurde. Nach fast vier Jahrzehnten Mondforschung, und obwohl bereits Menschen den Erdtrabanten betreten haben, gibt der mit am besten erkundete extraterrestrische Himmelskörper im Sonnensystem Forschern noch immer viele Rätsel auf: Wie entstand er? Hat die Erde ihn irgendwann einmal durch ihre Anziehungskraft "eingefangen", oder ging er aus der Kollision der Erde mit einem anderen Planeten hervor? Gibt es in den Kratern an den Polen des Mondes Wasser? Ist der Mond vulkanisch noch aktiv, wie ist sein Inneres beschaffen, und warum besaß er vor knapp vier Milliarden Jahren einmal ein starkes Magnetfeld?

Antworten auf diese Fragen sollen die Daten geben, die die neun Messinstrumente an Bord von Smart-1 gesammelt haben und die im nächsten Jahr Forscher zur Verfügung gestellt werden. Die Smart-Messgeräte wiegen insgesamt nur 19 Kilogramm und sind gegenüber Messgeräten vergleichbarer Missionen extrem verkleinert worden. Eines der Instrumente ist das in Deutschland entwickelte Infrarotspektrometer SIR, ein nur 2,3 Kilogramm schweres Messgerät, das auf der Grundlage eines handelsüblichen Laborgeräts gebaut wurde und dabei leistungsfähiger ist, als vergleichbare Spektrometer bisheriger Missionen. Noch bis zum Missionsende von Smart-1 im September wird SIR in den Kratern des Mond-Südpols nach Spuren von Wassereis suchen.

Anzeichen dafür hatten vor einigen Jahren bereits die beiden US-amerikanischen Mondsonden Clementine und Lunar-Prospector gefunden. Relevant ist die Frage, ob es auf dem Mond Wassereis gibt, vor allem für Projekte, die derzeit noch zur Science-Fiction zählen: nämlich für langfristig bewohnte Mondbasen. Ohne den Rohstoff Wasser wären sie nicht zu verwirklichen.

Die Daten, die ein anderes Instrument gesammelt hat, das in England entwickelte, fünf Kilogramm schwere Mini-Röntgenspektrometer D-CIXS, sollen Aufschluss über die Entstehungsgeschichte des Mondes geben. Das Gerät hat permanent radioaktive Strahlung von der Mondoberfläche aufgefangen. Die Analyse dieser Strahlung lässt Rückschlüsse auf die chemische Zusammensetzung der Mondoberfläche zu.

Zwar ist die Zusammensetzung einiger Mondgesteine seit den US-amerikanischen Apollo-Missionen Ende der Sechziger- und Anfang der Siebzigerjahre bekannt. Doch die Proben, die Astronauten damals von der Mondoberfläche mitbrachten, stammen lediglich aus Äquatorregionen des Erdtrabanten. Die genaue globale Beschaffenheit des Mondes ist immer noch nicht bekannt. Wissenschaftler hoffen, mit den Daten des Röntgenspektrometer D-CIXS erstmals eine vollständige "chemische Karte" der obersten Schichten des Mondes erstellen zu können.

Wenn auch die Analyse der Daten noch auf sich warten lässt, so hat zumindest die nahezu problemlose Arbeit der Smart-Messinstrumente in Raumfahrt-Fachkreisen Aufsehen erregt. China, Indien und die USA haben Interesse angemeldet, für eigene Mondmissionen Instrumente wie die aus Smart-1 zu verwenden, freut sich Bernard Foing: "Für die Flotte von Sonden, die im kommenden Jahrzehnt den Mond umkreisen und erforschen wird, haben wir dabei die Vorarbeit geleistet."

Unterdessen bereiten die Smart-Ingenieure den kontrollierten Absturz der Sonde am 3. September vor. Ohne weitere Manöver würde Smart-1 am 17. August auf der erdabgewandten Seite des Mondes aufprallen. Doch die Ingenieure haben sich einen Rest Treibstoff aufgespart. Mit dem soll die Bahn der Sonde so verändert werden, dass sie südlich des Mare Humorum niedergeht.

ESA-Experten rechnen eher mit einem unspektakulären Crash, der nur von den größten Teleskopen auf der Erde zu beobachten sein wird. "Wenn aber Staubwolken bis in mindestens 20 Kilometer Höhe aufgewirbelt werden, die das Sonnenlicht reflektieren", sagt Bernard Foing, "dann kann man das vielleicht schon durch ein gutes Fernglas oder ein Amateurteleskop sehen." (nbo)