Computer im Designer-Kimono
Beruf und VergnĂĽgen versucht die Stuttgarter Designerin Anna Niemann in ihrer neunteiligen Kollektion von Cyber-Kimonos zu vereinen.
Beruf und Vergnügen versucht die Stuttgarter Designerin Anna Niemann in ihrer neunteiligen Kollektion von Cyber-Kimonos zu vereinen. Laptop, Handy, Akkus, Mikrofon und Kamera im Schlepptau verursachen so manchem Berufs- oder Hobby-Computerfreak Kreuzschmerzen. Dieses Problem versucht die 30-Jährigen jetzt mit ihrer Kreation zu lösen. Sie integriert tragbare elektronische Helferlein, so genannte Wearables, in ihre Kleider.
Die Kleidung soll dem Träger ein Gefühl der Geborgenheit vermitteln und "eine Art Behausung und Lebensumgebung für draußen" sein, erklärt Niemann und nennt als kleinsten gemeinsamen Nenner für ihre Kollektion den "Etui-Charakter". In 38 Taschen im silber-weiß schimmernden Modell "Akishino" lassen sich die Wearables dicht am Körper anbringen. Aluminium- oder andere Metallfasern, elementare Bestandteile der Stoffe, leiten Elektrosmog von außen ab.
Das kann auch Klaus Liebert vom Institut für Textil- und Verfahrensforschung in Denkendorf (Kreis Esslingen) unterschreiben. Vor allem für Arbeits- und Schutzkleidung seien solche Stoffe gut geeignet. Das Institut hat getestet ob Textilien aus leitfähigen Garnen oder Kohlenstofffasern gegen elektrische und magnetische Felder abschirmen. Ergebnis: Durch Baumwolle oder Seide "braust die Energie ungebremst durch", erklärt Liebert. Den besten Schutz biete dagegen Stoff aus 80 Prozent Metallfasern.
Ihre Inspirationen hat sich die Designerin Niemann auf einer zehntägigen Japanreise geholt. Dort seien Tradition und Moderne keine Gegensätze. Ihre Idee, Privatsphäre und Arbeit in Einklang zu bringen, verdeutlicht ein schwarzer Kimono, dessen Ausgangsmaterial eine Steppdecke ist. Kurzerhand hat sie der Decke Ärmel verpasst. Ein breiter Kragen, bestehend aus den beiden oberen Enden der Steppdecke, kann zu einer Kapuze geknöpft werden. Kleine Lautsprecher sind in den Kragen eingearbeitet und im Futter miteinander vernetzt. Mit einem Mikrofon werden Töne aufgenommen und via Lautsprecher übertragen.
Auf Kopfhörer kann sie damit völlig verzichten. Oft sei am Kopfhörer zusätzlich ein Gestell angebracht, sagt Niemann. Am Ende des Gestells, das direkt vor ein Auge führt, befindet sich ein kleiner Spiegel, der die Funktion eines Computerbildschirms übernimmt. Aber so ein Spiegel direkt vor den Augen "kann auf Dauer nerven", meint Niemann. In ihrem für die Böblinger Firma Xybernaut angefertigten Modell ist das Gestell ebenfalls in den Kragen integriert. Der Nutzer kann sich einfach vom Spiegel wegdrehen.
Der Böblinger Xybernaut-Geschäftsführer Bernd Wiedmann ist offensichtlich zufrieden mit der Spezialanfertigung. "Die Modelle von Frau Niemann sind nicht nur Design und Mode, sondern auch Funktion", erklärt er. Mit dem großen Kragen sei kein Kopfhörer mehr nötig, "das ist viel komfortabler und versaut die Frisur nicht so", sagt er.
Dass man in den Kleidern wuchtiger aussieht, als man wirklich ist, war Absicht: "Es soll die menschliche Erweiterung durch Technik verdeutlichen", erklärt Niemann. "Der Mensch kann mehr mit dieser Kleidung, die Technik ist durch die Integration in die Modelle nicht so dominant". Mit einem Griff unter die Hülle – dafür hat Niemann extra Löcher etwa im Rücken oder auf der Rückseite eines bauschigen Kragens angebracht – kann man sich vergewissern, dass sich unter der Technik ein richtiger Mensch verbirgt. (Stephanie Paa, dpa) / (jk)