Von Genen und Handys

Eine finnische Studie zeigt, dass die Reaktion menschlicher Zellen auf Mobilfunkstrahlung auch von der genetischen Disposition abhängt. In Zellproben konnten Veränderungen in der Gentranskription festgestellt werden.

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Von
  • Duncan Graham-Rowe

Lebende Zellen reagieren auf von Mobiltelefonen abgestrahlte elektromagnetische Wellen abhängig von ihrem genetischen Aufbau. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie aus Finnland, die nahe legt, dass die möglichen negativen Effekte von Handys auf die Gesundheit von Person zu Person unterschiedlich sein könnten.

Die finnische Untersuchung ist die erste ihrer Art, die die Gefahren durch Mobiltelefone im Zusammenhang mit der genetischen Disposition abgleicht. Sie könnte auch erklären, warum es zuvor so selten möglich war, bestehende Studien zu konkreten Gesundheitsauswirkungen von Handys miteinander vergleichbar zu machen.

Dariusz Leszczynski, Leiter der Strahlenbiologie-Abteilung der Nuklearsicherheitsbehörde in Helsinki, betont allerdings, dass seine Untersuchung nicht zu neuen Spekulationen über mögliche Gesundheitsgefahren führen solle. "Sie zeigt nur, dass verschiedene Zellen anders reagieren können", so der Untersuchungsleiter.

Die Möglichkeit, dass Handys negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben könnte, wird praktisch seit 20 Jahren kontrovers diskutiert. Konsumenten und einige Wissenschaftler fürchten, dass die von Mobiltelefonen ausgehenden elektromagnetischen Felder verschiedene Krebsarten und andere Krankheiten auslösen könnten.

Die Meinungen in der Wissenschaftsgemeinde gehen allerdings auseinander – es gibt viele Skeptiker. Einerseits lässt es sich mit konventioneller Physik nicht erklären, wie nicht-ionisierende Strahlen niedriger Energiestufe chemische Brüche in der DNS verursachen sollten, die Krebs auslösen könnten. Gleiches gilt für andere Gengefahren.

In der finnischen Studie (Mobile phone radiation causes changes in gene and protein expression in human endothelial cell lines and the response seems to be genome- and proteome-dependent (p NA) Reetta Nylund, Dariusz Leszczynski Published Online: 28 Jul 2006 DOI: 10.1002/pmic.200600076) verwendeten Leszczynski und Kollegen zwei Varianten einer menschlichen Kultur aus Endothel-Zellen, mit jeweils leicht veränderter Genstruktur. Beide wurden GSM-Telefonen mit 900 MHz ausgesetzt, um dann durch einen Blick auf die vorhandene RNA zu überprüfen, welche Gene sich ausbildeten (Transkriptomik). In einem zweiten Test wurden die Zellen dann nach Veränderungen bei der Anzahl der entstandenen Proteine untersucht (Proteomik).

In beiden Zellproben ergaben sich Veränderungen in Gentranskription und Proteinbildung im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, die keiner Strahlung ausgesetzt war. Doch welche Gene und Proteine hier tatsächlich betroffen waren, unterschied sich stark. Die Annahme daraus: Kleine genetische Unterschiede können die Zellantwort auf Funkwellen beeinflussen. Die Wissenschaftler zeigten dies in mehreren Versuchen.

Michael Clark, Sprecher der unabhängigen britischen Health Protection Agency, die die Regierung des Landes in Gesundheitsdingen berät, hält die Studie für sehr interessant. Sie könne dabei helfen, ein besseres Verständnis für die Auswirkungen der Handy-Strahlung zu bekommen. Allerdings sage das nichts über die Sicherheit der Geräte aus: "Biologische Effekte wurden bereits früher beobachtet und müssen nicht unbedingt zu Auswirkungen auf die Gesundheit führen."

Franz Adlkofer, Wissenschaftler bei der Verum-Stiftung in München, hält die Genetik aber für einen wichtigen Punkt: "Ich bin mir absolut sicher, dass nicht alle Menschen gleich für negative Effekte empfänglich sind." Adlkofer selbst hatte zuvor eine Studie durchgeführt, die DNS-Schäden durch Handys entdeckte.

Kritiker meinen allerdings, dass der Test mit den Zellkulturen nicht unbedingt auch auf den Menschen übertragen werden könne. "Studien im zellulären Bereich werden normalerweise dafür verwendet, Mechanismen der Interaktion zu untersuchen. Sie lassen sich aber nicht als Beweis für Effekte am lebenden Menschen verwenden", meint etwa Chiyoji Ohkubo, Physiologe bei der Weltgesundheitsbehörde und Experte für elektromagnetische Felder.

Seine Organisation finanzierte im vergangenen Jahr bereits eine Studie mit, die Proteomik und Transkriptomik auf ihre Verwendbarkeit zum Studium der Handy-Sicherheit überprüfte. "Damals war der Konsens, dass dieser Forschungsansatz sich für die wissenschaftliche Untersuchungen elektromagnetischer Felder eignet. Für die Einschätzung von Gesundheitsgefahren ist er aber noch nicht geeignet."

Leszczynski stimmt dem gerne zu. Er glaube auch, dass wahrscheinlich nur groß angelegte Langzeitstudien tatsächlich Aufklärung bringen werden.

Einige dieser Untersuchungen laufen bereits. Sollten sie tatsächlich zu dem Ergebnis kommen, dass es Gesundheitsgefahren gibt, werde es wichtig, die biologischen Mechanismen zu verstehen – und genau da könne sein Ansatz helfen, meint Leszczynski: "Wir brauchen Informationen darüber, was in den Zellen abläuft".

Übersetzung: Ben Schwan. (nbo)