Mash-ups für Millionen

Auf der DemoFall-Konferenz in San Diego halten Webdienste Einzug in Mobilgeräte und in Unternehmensanwendungen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Steffan Heuer

Silicon Valleys Ideenschmieden ringen mit der großen Mobilisierung, um Dienste, Daten und Programme vom Rechner zu Hause oder im Büro auf möglichst jedes tragbare Gerät zu schieben. Die neuesten Ideen rund um den „mobilen Lifestyle“ ließen sich auf der DemoFall Konferenz in San Diego besichtigen, auf der knapp 70 Start-ups präsentierten. Die zweitägige Veranstaltung gilt traditionell als Ausblick auf neueste IT-Trends und zieht Dutzende von Risikokapitalisten an.

Für großes Interesse sorgten unter anderem das Mojopac genannte Programm der Firma RingCube, das ein tragbares Spiegelbild des eigenen PC auf einem iPod oder einem USB-Stick anlegt, sowie Webdienste, die die Grenzen zwischen Desktop und digitalem Zubehör wie Kamera, PDA oder Mobiltelefon aufheben. So werden Bild- und Videobearbeitung, der Empfang von Podcasts und eine Mischung aus SMS, Instant Messaging und Anrufbeantworterfunktionen zu Diensten, die nur noch wenig mit dem jeweiligen Gerät oder einzelnen Netzwerkbetreibern zu tun haben.

„Wenn man sich die 67 hier vertretenen Firmen ansieht, dann bewegen wir uns von IT als Informationstechnologie zu IT als Infrastrukturtechnologie“, sagte Chris Shipley, die Organisatorin der Konferenz. Die weite Verfügbarkeit von preiswerten Bausteinen, um neue Webdienste zu entwickeln, habe zu einer neuen Schwemme unternehmerischer Aktivität geführt. Aber angesichts der geringeren Anlaufinvestitionen und wenigen Megadeals könne man nicht von einer spekulativen Blase sprechen, so Shipley. „Die im Silicon Valley grassierende Aufregung ist wohl berechtigt.“

Laut jüngsten Statistiken von Dow Jones Venture One steckten Risikokapitalisten im ersten Halbjahr 2006 rund 262 Millionen Dollar in insgesamt 49 Web-2.0-Firmen. Hält der Trend an, werden sich die VC-Gelder gegenüber dem Vorjahr verdoppeln. Im Visier der Geldgeber sind gemeinschaftliche Anwendungen, mit denen private wie geschäftliche Nutzer Informationen erstellen, verwalten und mit anderen teilen können – in erster Linie Wikis, Blogs, Mash-ups, Podcasts und soziale Netze. Bei Letzteren sind die Übergänge von der Web- zur Telekom-Anwendung mittels integrierter VoIP-Telefonie oder sogar Konferenzschaltungen fließend.

Anwender wollen ihre Daten, Dienste und komplette Programme immer verfügbar haben. Eine Antwort auf diesen Wunsch offeriert Mojopac. Das anfangs nur für Windows XP verfügbare Programm lässt sich auf 25 Megabyte auf jedem externen Speichermedium installieren. Danach kann man beliebige Anwendungen – etwa Office oder komplette Spiele wie World of Warcraft – auf seinem tragbaren Medium installieren.

Wird der iPod an einen anderen Computer angeschlossen und das persönliche Passwort eingegeben, schafft die Virtualisierungs-Engine eine neue Arbeitsoberfläche, die dem eigenen Rechner gleicht. In den kommenden Monaten werde man Versionen für andere Betriebssysteme sowie mit eingebauter Verschlüsselung herausbringen, so der Mitbegründer und Chefingenieur von RingCube, Kiran Kamity. Er sieht Telearbeiter, Geschäftsreisende und Gamer als Hauptzielgruppen von Mojopac.

Die von Technologen seit Jahren gepredigte grenzenlose Mobilität werde langsam Realität, erklärte der CEO des Mobilfunkriesen Qualcomm, Paul Jacobs. Bald wird in jedem Stück Verbraucherelektronik ein Mobilfunkchip eingebaut sein, so Jacobs, von Navigationshilfen über Spielkonsolen bis zu Kameras. Damit lassen sich orts- oder aktivitätsbezogene Informationen abrufen und Bildern oder Videos zuweisen.

Ein Beispiel ist das vernetzte Navigationssystem der Firma Dash, das ab Januar in Kalifornien startet. Der Kasten verwendet zur Routenplanung nicht nur offizielle Verkehrsdaten, sondern ebenfalls den Input anderer Dash-Nutzer, die gerade in derselben Gegend unterwegs sind. Das Gerät verwendet dazu vorhandene Mobilfunk- oder WiFi-Netze und stellt eine monatliche Gebühr von zehn Dollar in Rechnung. Darüber hinaus lassen sich mit Dash Webdienste und RSS-Feeds wie Veranstaltungskalender oder lokale Benzinpreise abonnieren sowie Adressen über das Web direkt ans Fahrzeug senden.

Stellt sich die Frage, was das für die Preisgestaltung von Mobilfunk-Abonnements bedeutet. Qualcomm-Chef Jacobs tippt auf eine Kombination aus unbegrenztem Zugang und Gebühren für einmaligen Zugang, um etwa ein besonders gelungenes Video direkt von der Kamera zu verschicken. Telekom-Firmen sollten Interesse daran haben, dass Mobilgeräte nahtlos auf vorhandene WiFi-Netze umschalten können, um die Belastung ihrer regulären Funknetze zu senken. Neue Telefone mit eingebauter Festplatte, einem Gyroskop für Videospiele sowie Videoausgang zeigen laut Qualcomm-Chef, wohin die mobile Reise geht.

An der Quadratur des Kreises, um multimediale Dienste auf Mobiltelefonen so einfach und zugleich so umfangreich wie möglich zu machen, versuchen sich Dutzende von Firmen. So präsentierten die französischen Gründer von Realeyes3D den Service qipit und die US-Firma ScanR einen zum Verwechseln ähnlichen Dienst, der ein mit dem Handy geknipstes Dokument – Plakate, Whiteboard-Kritzeleien oder Visitenkarten – automatisch auf ihre Server lädt, optimiert, den Text extrahiert und sich anschließend sogar in Textverarbeitung oder ein Adressbuch importieren lässt. Damit wird jedes Handy mit einer Kamera von mindestens einem, idealerweise zwei Megapixeln Auflösung zum Scanner.

Zwei ehemalige Mitarbeiter von Palm präsentierten Pinger, eine Kombination von Anrufbeantworter und E-Mail. Basierend auf dem aktualisierten Adressbuch der gängigen Webmail-Programme erkennt der Service die ins Telefon gesprochenen Namen von Empfängern und verschickt Sprachnachrichten per E-Mail sowie als SMS aufs Handy. Die Anrufe kann man an ganze Gruppen weiterleiten, kommentieren, herunterladen und im Web verwalten – ohne dass man Bekannte und Arbeitskollegen stören oder aus dem Bett klingeln muss. So lässt sich etwa ein Audiokommentar auf den Seiten eines MySpace-Nutzers mit einem einfachen Telefonat platzieren. Eine ähnliche Verschmelzung von Webdienst und Mobiltelefonie stellte die Neugründung Yoobz vor, die SMS-Konversationen nahtlos zwischen Desktop und Handy makelt.

Solche ursprünglich auf den Endverbraucher zugeschnittenen Anwendungen sind auch ein Trend für Unternehmensnutzer geworden. „Webdienste finden ihren Weg in Büros“, sagte Demo-Organisatorin Shipley. So basierten rund die Hälfte der in San Diego präsentierten Produkte auf der plattformunabhängigen Sprache Java. Die österreichische Firma System One etwa bietet eine Wiki-Plattform für Unternehmen vor, die Daten und Dateien aus dem Web, aus unternehmensinterner E-Mail und Datenbanken in einem dynamischem Weblog bündelt und managt. „Wir verbinden soziale Software mit semantischer Suche, Kollaboration und Informationsbeschaffung“, so System-One-Mitbegründer Bruno Haid. BMW und der Burda-Verlag sind ihm zufolge erste Betakunden.

Ein ähnliches Mash-Up für Multis, das seine Daten aus internen und externen Quellen aufsaugt und aufbereitet, ist das Marketing-Werkzeug Buzzlogic, mit dem Manager und Werber analysieren und beobachten können, was Blogger und die Presse über ihre Marke oder Produkte sagen. Eine neue Beobachtungskampagne lässt sich im Browser mit ein paar Klicks wie eine Google-Suche anlegen. Die Daten werden dabei als soziales Netzwerk präsentiert, sodass wichtige und einflussreiche Blogger und ihre Multiplikatoren auf einen Blick erkennbar sind. Das Unternehmen bedient bereits rund 50 Unternehmen, darunter Microsoft und den PC-Hersteller Lenovo. „Wir bringen Unternehmen bei, wie sie die richtigen und wichtigen Personen hinter einem Blog oder einer Meldung ansprechen“, sagte Buzzlogic-Manager Todd Parsons. (wst)