Weltraum-Rover als Verwandlungskünstler

Eine neue Generation von Robotern soll fremde Planeten wie den Mars noch besser erkunden können. Die NASA arbeitet an ganz neuen Rover-Gefährten.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • David Chandler

Wissenschaftler am Goddard Space Flight Center der NASA arbeiten an einem neuartigen Rover-Roboter, mit dem künftig Planeten und Monde erforscht werden könnten. Das Gerät, ein Abkömmling der bekannten Mars-Gefährte "Spirit" und "Opportunity", ist im laufenden Betrieb wandelbar und auch unter besonders schweren Bedingungen einsatzfähig.

Statt nur zu fahren, zu "laufen" oder zu rollen, wie bisherige Fahrzeuge, die für schwierige Terrains gebaut wurden, setzt der neue Rover auf die Veränderung seiner Form zur Fortbewegung. Dabei stürzt er quasi nach vorne und dreht sich dabei ständig hin und her (Video-Animation). "Wir nennen das gerne den Lauf des betrunkenen Matrosen“, erklärt Pamela Clark, Professorin an der Catholic University of America und als Gestalterin an dem NASA-Projekt beteiligt.

Das minimalistische Fahrzeug besteht aus einem anpassbaren Rahmen, der an bestimmten Stellen, so genannten Knotenpunkten, verbunden ist. Die dünnen Stützen bilden an den runden Knotenpunkten eine vierflächige Form – im Zentrum befindet sich außerdem noch ein so genannter Nutzlast-Knotenpunkt, der Computer und Sensoren festhält. Der Roboter bewegt sich, in dem er seine Stützen aus- und wieder einfährt. Dabei ändert sich seine Form ständig – und sein Schwerpunkt, bis das Gerät schließlich "umgefallen" ist. Dann beginnt der Prozess erneut. Je nach Gelände kann sich die Form des Rovers von Tetraederförmig über die Form eines Würfels bis hin zu fast kugelrund oder flach verändern. In der Endfassung soll der Roboter dadurch auch tiefe Gletscherspalten oder Felsen überqueren können.

Das Taumeln mit Hilfe der Verlagerung des Schwerpunktes klingt nicht unbedingt nach einer besonders schlauen Methode der Fortbewegung. Laut Clark ist es jedoch ein sehr effizienter und nützlicher Weg, Hindernisse, besonders glatte Oberflächen und tiefe Abhänge zu überbrücken.

Vor wenigen Wochen stellte die NASA in einem Versuchsaufbau eine kleinere Einzel-Tetraeder-Variante des Rover-Roboters vor, die mit großem Erfolg die steilen Abhänge des Meteor Crater in Arizona herunterkletterte – sogar unter extrem windigen Bedingungen. "Wir selbst dachten, dass wir aus dem Krater weggeblasen würden", erzählt Clark. Das sei ein guter Test gewesen.

Eine größere Version des Rover-Roboters aus 12 Tetraedern wird derzeit im Labor fertig gestellt und soll in den nächsten Monaten getestet werden. Mit mehr Tetraedern lässt sich die Form des Gefährts feiner kontrollieren und die Bewegung effizienter gestalten, ohne die Länge der Stützen stark zu erhöhen.

Viel Arbeit steckt noch im Kontrollalgorithmus. Es sei schwer, intuitiv über einen Roboter nachzudenken, der sich ohne Räder bewege, meint Clark: "Mit 26 Stützen kann man kleine Spiele im Kopf ablaufen lassen, in dem man über Anordnungen von Knotenpunkten nachdenkt, die man dann "zum Laufen" bringt." Die einzelnen Stützen sollen austauschbar werden, um sie bei Beschädigungen unterwegs schnell ersetzen zu können.

Der Hauptfokus des NASA-Teams liegt nun in der Entwicklung passender Schrittfolgen für verschiedene Oberflächen, Geländearten und Steigungen. Dazu gehört beispielsweise, wann welche Stütze in welcher Reihenfolge ausgefahren wird. Clark hat bereits eine Kontrollsequenz ausgearbeitet, die sie "den Amöbengang" nennt. Dieser sieht aus, als rutsche der Rover-Roboter wie eine Amöbe über die Oberfläche. "Wir wollten dabei den effizientesten Gang entwickeln, der so nahe wie möglich am Boden war." Eine Amöbe bewegt sich, in dem sie sich waagerecht ausdehnt. Dabei versucht sie, möglichst wenig gegen die Schwerkraft anzukämpfen. "Das mussten wir verstehen."

Nach mehreren Monaten Labortests will das Team nun mit neuen Prototypen zum Sedan Crater nach Nevada aufbrechen. Der Krater entstand bei einem unterirdischen Nukleartest und besitzt sehr steile Abhänge mit bis zu 40 Prozent Gefälle, die aus lockerem Sand bestehen. Beim Meteor Crater in Arizona lag das maximale Gefälle noch bei 23 Prozent und der Boden bestand aus Geröll. Im Gegensatz zu einem bereiften Rover kann die Tetraeder-Struktur allerdings auch deutlich steilere Gefälle nehmen, ohne langsamer zu werden.

Das NASA-Team hat sein Gefährt bereits in Varianten für Mond- wie Mars-Missionen entwickelt. Auf lange Sicht soll der Rover-Roboter in enge Spalten kriechen können und sich über, unter oder um Hindernisse herum bewegen lassen, die ein Rover mit Rädern niemals nehmen könnte. Spätere Versionen könnten sogar eine völlig vertikale Felsspalte herabsteigen – eine Technik, die das Team von Kletterern abgeschaut hat, die sich mit beiden Beinen links und rechts abgestützt herablassen. Grundsätzlich gibt es bei dem Gefährt außerdem nicht das Risiko, dass es umfallen hängen bleiben könnte. So kann der neue Rover-Roboter auch Bereiche untersuchen, die bislang nur schwer zugänglich, aber biologisch wie geologisch besonders interessant sind.

In Zusammenarbeit mit herkömmlichen bereiften Rovern könnte das neue Gefährt ein effizientes Team bilden – mit den Reifen werden lange und flache Distanzen überbrückt und das herkömmliche Fahrzeug dient als Basis. Der Tetraeder-Rovre-Roboter könnte dann die Vorhut sein, die sich interessantere Bereiche näher ansieht und Proben nimmt.

Der neue Rover-Roboter ließe sich nicht nur im Weltraum einsetzen, sondern auch auf unserem Planeten. Bereifte Roboter, die in Gefahrsituationen zum Einsatz kommen, erreichen nicht immer jede gewünschte Stelle – etwa bei der Landminenbergung oder der Entsorgung von Chemikalien.

David Wettergreen, Robotik-Ingenieur an der Carnegie Mellon University, hält das Design des NASA-Teams für eine gute Ergänzung anderer Rover-Ansätze: "Je nach Anwendungsgebiet braucht man einen speziellen Fortbewegungsmodus." Verschiedene Mechanismen seien daher praktisch. Die notwendige Computertechnik sei aber enorm komplex – selbst die verschiedenen Gangarten für Roboter mit nur vier Beinen seien sehr schwer zu ermitteln. "Diese Idee könnte ein großes Potenzial haben, aber es wird eine riesige Herausforderung, dieses auch zu nutzen."

Übersetzung: Ben Schwan. (wst)