Angst vor einem "Krieg der Sterne"

Die neue offizielle US-Weltraumdoktrin gibt sich unnachgiebig. Experten fürchten, dass es zu einem Rüstungswettlauf im All kommen könnte.

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Von
  • Brittany Sauser

Am 6. Oktober haben die USA ihre neue "National Space Policy" (NSP) vorgelegt, die offizielle Weltraumdoktrin, die das Vorgehen des Landes im All regeln soll. In Reaktion darauf befürchten Experten nun, dass Amerika künftig einen deutlich militärischeren, unilateralen Ansatz in der Erdumlaufbahn und darüber hinaus fahren könnte. Sollte sich das Land tatsächlich an die neue NSP halten, wie sie geschrieben steht, könne es gar "zu einem Wettrüsten im Weltraum kommen – mit möglicherweise katastrophalen Folgen", so die Kritik.

So heißt es in der NSP beispielsweise, dass der Weltraum für die USA "lebensnotwendig für unsere nationalen Interessen" sei. Demnach werde man sich alle Handlungsmöglichkeiten im All offen halten, gleichzeitig aber andere auch daran hindern, diese Rechte einzuschränken. "Wir werden alle notwendigen Schritte unternehmen, um unsere Möglichkeiten im All zu bewahren, auf eventuelle Behinderungen durch andere reagieren und, wenn notwendig, Feinden den Einsatz von Weltraumtechnologien untersagen, die gegen die nationalen Interessen der USA gerichtet sind."

Michael Krepon, Mitbegründer des Henry L. Stimson Center, einem unabhängigen Think Tank für internationale Sicherheit in Washington, meint, dass die NSP klar mache, dass die Vereinigten Staaten bei ihren militärischen Aktionen im Weltraum nur sich selbst folgten. "Die Doktrin lehnt auch nichtmilitärische Initiativen der Waffenkontrolle ab, obwohl solche Ansätze der Sicherheit der amerikanischen Satelliten dienen würden."

Die neue NSP ist nicht die erste Weltraumdoktrin, in der die Vereinigten Staaten ein ungehindertes Recht für sich einfordern, im All nach Belieben zu operieren. Die NSP aus dem Jahre 1996, die von der Clinton-Regierung entworfen wurde, hatte das gleiche Hauptthema. Der Unterschied große sei allerdings, dass die neue Politik nicht nur die Rechte anderer Weltraummächte nicht für voll nähme, sondern auch dem Konzept der kollektiven Sicherheit feindlich gegenüber stehe, meint Theresa Hitchens, Analystin beim Center for Defense Information. "Das ist ein Signal dafür, dass die Vereinigten Staaten den Weltraum nicht mehr als eine Umgebung der allgemeinen Zusammenarbeit sehen." Damit gäbe man eine über 40 Jahre alte Tradition auf, die Konflikte und Wettrennen im Weltraum auf ein Minimum beschränkt hätten.

Paradox an dieser neuen Doktrin sei auch, dass sie US-Satelliten, die für die Kommunikation und Sicherheit der Nation lebenswichtig seien, der Gefahr des Angriffes und der Zerstörung durch andere Nationen aussetze. "Aktuell nutzt das amerikanische Militär die Weltraumtechnik ganz enorm, um die Truppen am Boden, auf See und in der Luft zu versorgen", sagt John Arquilla, Militärexperte und Professor an der Naval Postgraduate School in Monterey. "Wenn wir diese Satelliten verlieren, würde das dazu führen, dass uns das ein Element entrissen würde, das den amerikanischen Truppen einen wichtigen Vorteil verschafft." Dadurch käme es zu einer Art Waffengleichheit mit anderen Gegnern.

Im September meldete die Nachrichtenseite Defensenews.com, dass China mit einem Hochenergielaser auf einen US-Spionagesatelliten geschossen habe, der über sein Territorium geflogen sei. Die Absichten des chinesischen Militärs sind bislang genauso unbekannt wie die tatsächlichen Auswirkungen des Angriffs. Öffentlich gaben sich US-Beamte und Militärs jedoch erstaunlich wenig alarmiert. Doch die Vorstellung, China könnte offensive Weltraumtechnologien testen oder mit solchen Tests demnächst beginnen, dürfte einer der Faktoren gewesen sein, der zur unilateralen Färbung der neuen NSP geführt hat.

"Das Problem dabei: Es ist wesentlich leichter, Dinge aus der Umlaufbahn zu werfen, als sie dort oben zu schützen", meint Arquilla, "die Waffen, die man dazu einsetzen kann, sind sehr, sehr destruktiv für Satelliten – beispielsweise elektromagnetische Pulsgeneratoren, die in großer Höhe fliegen."

Der Verlust von Satelliten ist nur eines der Dinge, die den USA Sorgen bereiten könnten. Wird ein Satellit zerstört, ergibt dies ein Trümmerfeld in der Umlaufbahn, durch das Weltraumbereiche nahezu unnutzbar werden. Einige dieser Regionen, etwa die niedrige Erdumlaufbahn, gehören zu den Bereichen, in die die meisten bemannten Raumflüge und Weltraummissionen aufbrechen. Die neue NSP ruft Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen aber immerhin dazu auf, die Entstehung solcher Felder zu minimieren.

Sollten Satelliten tatsächlich zu Zielen im All werden, würden den USA nur neue Verteidigungssysteme im Weltraum helfen. Doch die Rüstung im Weltraum würde auch dazu führen, dass andere Nationen mitziehen müssten, meint Think Tank-Mann Krepon.

Die Bewaffnung im All ist ein sehr sensibles Thema. Militärprofessor Arquilla, der selbst Geheimnisträger ist, wollte daher nicht kommentieren, ob die USA entsprechende Technologien planten. Er gab allerdings an, dass viele Verteidigungsmethoden nicht unbedingt auch eine Offensivkomponente bräuchten – beispielsweise das so genannte "Autonomous Nanosatellite Guardian for Evaluating Local Space"-System, kurz "ANGELS", mit dem die Vereinigten Staaten ihre Satelliten notfalls in Sicherheit bringen könnten (es befindet sich derzeit im Vorschlagsstadium).

Die neue Weltraumdoktrin enthält jedoch noch mehr, als nur Amerikas Handlungsfreiheit im All zu betonen. So wird die NASA dazu aufgefordert, technologische Innovationen und sowohl unbemannte als auch bemannte Programme zur Erforschung des Weltraums voranzutreiben.

"Die NSP ist ja noch in einem Frühstadium, und aktuell sind wir dabei, mit den Programmen, die bereits laufen, weiterzumachen. Dazu gehören die Mars-Rover und verschiedene Langzeitmissionen", meint Robert Mirelson, ein hoher Beamter bei der NASA. Es gäbe keine 180 Grad Wende durch die neue Doktrin – und auch der zeitliche Ablauf bliebe gleich.

Dieser Zeitplan, der bis 2030 gilt, enthält unter anderem die Komplettierung der Internationalen Raumstation ISS und die Beendigung des Shuttle-Programmes 2010. Enthalten ist außerdem die Entwicklung des neuen "Crew Exploration Vehicle" (CEV), mit dem es zurück zum Mond gehen soll. Das CEV mit dem Namen Orion ist Teil des neuen Programmes "Constellation". Erste Tests sollen 2008 erfolgen, sollte alles glatt gehen, hebt Constellation 2014 ab.

"Wir hängen, was unser Budget anbetrifft, vom Kongress ab, und das beeinflusst unsere Programme", sagt Mirelson. "Bis der Haushalt vorliegt, lässt sich nicht spezifisch darüber diskutieren. Dennoch erwartet niemand irgendwelche radikalen Kürzungen – aber auch keine großen Budgeterweiterungen für das Fiskaljahr 2007."

Trotz der Bedenken, die Experten gegenüber der neuen NSP haben, geben sich die meisten hoffnungsfroh, dass die USA dennoch künftig weiterhin mit anderen Weltraumnationen kooperieren und zusammenarbeiten werden, wenn dies Technologie, Budget und Politik zulassen. Immerhin steht in der neuen Doktrin auch, dass die Raumfahrt auch weiterhin die "Sicherheit, den Lebens- und Umweltschutz und den schnellen Informationsaustausch" befördern solle und die Wirtschaft wachsen, sie gar revolutionieren und die Menschheit vorankommen lasse. "Das betrifft nicht nur die Vereinigten Staaten, sondern zahlreiche andere Nationen, Konsortien, Firmen und Unternehmer, die den Weltraum nutzen", so das Papier.

Übersetzung: Ben Schwan. (wst)